Die in der freien Darmstädter Theaterszene seit Jahrzehnten etablierte Arheilger „Neue Bühne Darmstadt“ hat neben den üblichen Theaterstücken mit der Vorlesung von Kurzgeschichten ein neues Format eingeführt. Die erste Folge präsentierte am 21. Januar unter dem Titel „Eiskalt“ eine Reihe grotesker bis unheimlicher Geschichten verschiedener Autoren, gelesen von „Urgestein“ Rainer Poser und Anna Baum.
Nachdem die Besucher die passenden Speisen wie „Berufskiller“ oder „Crème au Mort“ verspeist hatten, verdunkelte sich gegen 18 Uhr der Raum, und nur die Kerzen auf den Tischen im nahezu ausverkauften Zuschauerraum spendeten ein wenig Licht und viel Vorspannung. Dann betraten Rainer Poser und Anna Baum die spärlich erleuchtete Bühne und nahmen Platz.
Rainer Poser begann mit Klaus-Peter Wolfs Geschichte eines Mannes, der seine Frauen lieber anständig umbrachte, als sie schnöde zu verlassen, und dies einem Interviewer als großherzige Handlung zu verkaufen versucht. Es folgte Anna Baum mit Mechthild Borrmanns „Gnadenlos“, einem schockierenden Verhör zweier halbwüchsiger Geschwister aus gutem Hause, die den Mord an ihrer Lehrerin wegen einer angeblich ungerechten Note als berechtigte Notwehr verstehen. Anschließend amüsierte Poser die Zuhörer mit Robert Gernhardts (u.a.) multiplen Dialog zwischen verschiedenen Körperorganen über einen aufkommenden Ärger am Wirtshaustisch, der sich gerade noch besänftigen lässt. Anna Baum drehte diesen Humor dann in seine „schwarze“ Variante mit Ralf Kramps Geschichte eines überaus pedantischen Frauenmörders, dem es dabei stets um einen peniblen Kontext geht und der schließlich an einem unerwarteten Wohnungschaos scheitert. Rainer Poser beendete den ersten Teil mit der grotesken Ich-Erzählung (aus unbekannter Feder) eines Mannes, der morgens aufwacht und feststellt, dass er tot ist. Bis unter die Erde verfolgt er wachen Blickes aber kaltsteifen Körpers das gesamte Ritual der menschlichen Entsorgung.
Den zweiten Teil eröffnete wieder Rainer Poser mit Ferdinand von Schirachs „Fähner“, die Tragödie einer lebenslang unglücklichen und in einem Affektmord endenden Ehe. Anna Baum fügte Carsten Sebastian Henns Monolog einer untreuen Frau an, die nur wegen ihrer Schwäche für Mousse au Chocolat den Mord an ihrem ungeliebten Mann in letzter Sekunde ins – hier nicht verratene – Gegenteil wendet. Rainer Poser fügt dem mit Jack Ritchies „Berufskiller günstig abzugeben“ die so trockene wie groteske Beichte eines Berufskillers an, der sein Geld auf eine so profane wie geniale Weise verdient. Den Schlusspunkt setzte schließlich Anna Baum mit Jürgen M. Brandners schwarz-humorige, ironisch gereimte Ballade „Massenmördertum“.
Das Publikum nahm dieses neue Format ausgesprochen dankbar auf und spendete außer spontanen Lachern kräftigen Schlussbeifall.
Frank Raudszus
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