Vorweihnachtlicher Liebesmusiktrank

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Die eingängigen Melodien und die schlichte Handlung von Donizettis Oper „Der Liebestrank“ bieten sich immer wieder für eine Inszenierung in Zeiten dringend benötigter Unterhaltung an. Das war in der letzten Darmstädter Inszenierung von 2013 zwar nicht der Fall, aber umso mehr in der Vorweihnachtszeit von 2023, da rings um Europa Kriege toben.

Die Handlung lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Der etwas schlichte Nemorino (David Lee) liebt die schöne und selbstbewusste Adina (Claudia Muschino), diese aber mehr ihre Unabhängigkeit. Daraufhin erwirbt Nemorino vom Quacksalber Dulcamara (Georg Festl) einen vermeintlichen Liebestrank, der aus Rotwein besteht, um sich dadurch begehrter zu machen. Als jedoch der machohafte Sergeant Belcore die Bühne betritt, gibt Adina ihm sofort ihre Hand und verspricht ihm die Ehe. Um den durch seinen Glauben an den Zaubertrank selbstbewusst gewordenen Nemorino zu reizen, verschiebt sie die Hochzeit. Dieser hat sich mittlerweile jedoch wegen der bevorstehenden Hochzeit verzweifelt als Soldat bei Belcore verdingt. So übermannt Adina plötzlich die Liebe zu Nemorino, sie kauft den Vertrag zurück, weist Belcore ab und gesteht Nemorino in einem rührenden Finale ihre Liebe. Happy End, alles gut – na ja….

Ensemble

Da dieses Libretto keinerlei Handhabe für tiefgreifende gesellschaftliche oder gar politische Konflikte bietet, hat Regisseurin Geertje Boeden es von vornherein als flotte Liebeskomödie mit viel Herz und Schmerz inszeniert. Dazu hat Philip Rubner ein italienisch angehauchtes Bühnenbild mit bühnenhohen, halbtransparenten Wänden in Zartrosa entworfen, das früh-italienisches Flair versprüht. Die Kostüme passen sich dieser Kulisse in märchenhaftem Stil an. Nemorino ist als etwas tölpelhafter Naturbursche in grünem Papageno-Gewand gekleidet, Belcore trägt eine martialische Soldatenuniform in Schwarz-Rot, und Dulcamara ist als schräger Pseudo-Zauberer mit buntem Mantel und steifem Hut förmlich verkleidet. Nur Adina kommt in einem eher heutigen Dress daher, elegant weil pseudo-schlicht und raffiniert geschnitten. Der Chor rundet diese dezent historisierende Darstellung mit wechselnden ländlichen Kostümen ab.

Juliana Zara und Georg Festl

Geertje Boeden achtet von Anfang an auf den ungefilterten Humor eines Liebesmärchens, das ein wenig an die „Zauberflöte“ erinnert, wenn auch ohne die böse Königin und deren ambivalenten Gegenpart. David Lee gibt den Nemorino tatsächlich als lieben aber etwas beschränkten Tölpel, so dass man sich fragt, wo Adinas plötzliche Liebe herkommt, vor allem nach dem verständlichen aber nachsichtigen Spott zu Beginn. Das Libretto will es halt so. Die kurzfristig als Gast eingesprungene Claudia Muschino verleiht der Adina die Übersicht und Abgeklärtheit einer emanzipierten Frau, die sich des männlichen Begehrens sicher sein kann und deshalb stets auf Abstand achtet. Auch hier ist die schnelle Zuwendung zum eitlen Belcore nur als Zugeständnis an den – damaligen? – Publikumsgeschmack sowie den Fortgang der Handlung zu verstehen. Stimmlich überzeugt Claudia Muschino ohne Abstriche, und sie hat sich trotz der kurzen Probenzeit nahtlos in das Ensemble eingefügt.

Julian Orlishausen und David Lee

Georg Fests ist mit der Rolle des Dulcamara voll ausgelastet, muss er doch in fast jeder Szene seine schnellen Arien mit all den listigen und stets halbseidenen Einfällen vortragen. Diese schillernde Figur scheint ihm dabei viel Spaß zu bereiten. Julian Orlishausen verleiht der Eitelkeit des Belcore eine deutliche Präsenz und verbindet das nicht nur mit viel darstellerischem Witz und offensichtlichem ironischem Vergnügen an Belcores machohaftem Wesen, sondern auch mit einer bis zum Schluss ausgesprochen präsenten Stimme.

Der Chor sorgt nicht nur für stimmliche Fülle auf der Bühne, sondern auch für darstellerische Abwechslung und darf – und soll! – dabei auch viele spontane Emotionen zeigen. Es ist halt ein Vorweihnachtsmärchen!

Bleibt noch das Orchester unter der Leitung von Johannes Zahn zu erwähnen, das Donizettis eingängige Musik mit Tempo und Witz intoniert und dennoch dem Gesangsensemble stets genug Raum zur sängerischen Entfaltung lässt.

Das Publikum zeigte sich angetan und spendete allen Beteiligten kräftigen Beifall.

Frank Raudszus

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