Spätestens nach der Fernsehserie „Babylon Berlin“ haben Kommissar Gereon Rath und seine Freundin Charlotte Ritter Kultstatus errungen. So lag es nahe, alle „Rath“-Romane von Volker Kutscher auf Hör-CDs anzubieten. Das kann jedoch zu gewissen Reihenfolge-Problemen führen, die wiederum die Spannung reduzieren und zu einem erzählerischen Rückschritt führen.
Nachdem wir im Januar bereits „Transatlantik„, den neueste Folge der Serie, vorgestellt hatten, sind nun im Frühjahr vier weitere Folgen aus den Jahren 1931 bis 1933 in zwei Doppelpacks erschienen. Das führt bei Hörer, die diese Folgen erst jetzt hören, zu einer reziproken Referenz, denn nun treten Personen auf, die wir bereits als Verstorbene kennen, oder Ereignisse, die in Transatlantik als Rückblick erwähnt werden, laufen jetzt sozusagen in Echtzeit ab. Das muss nicht unbedingt negativ sein, vor allem, wenn man den Seriencharakter kennt, hat jedoch eine gewisse Redundanz zur Folge.
In der dritten Folge, „Goldstein“, reist der in die USA ausgewanderter Jude Abraham Goldstein mit beachtlicher krimineller Karriere nach Berlin. Da die Polizeibehörden seine Vita kennen, vermuten sie eine verbrecherische Absicht dahinter und setzen Gereon Rath als Beschatter ein, auch weil er wegen einiger Eigenmächtigkeiten derzeit keine gute Karten bei seinen Vorgesetzten hat. Er betrachtet diese Aufgabe durchaus richtig als eine Kaltstellung und geht sie nur lustlos an. Doch im Laufe dieser Beschattungen verhält sich Goldstein derart seltsam, dass Rath tatsächlich kriminalistisches Interesse an ihm entwickelt. Wer „Transatlantik“ gelesen oder gehört hat, weiß, dass Rath dort auf der Luftreise im Zeppelin nach New York eine Witwe namens Goldstein trifft, die auch ihn nur zu gut kennt……
Parallel dazu läuft eine kleinkriminelle Geschichte um jugendliche Kaufhausdiebe, in die neben einigen sehr fragwürdigen Polizisten auch Charlotte involviert ist. Durch ihren Fehler kann ein junges Mädchen der Verhaftung entgehen, und jetzt benötigt Charlotte in ihrem Fall Gereons Unterstützung. Der kämpft also sozusagen an zwei Fronten. Natürlich überschlagen sich die Ereignisse schnell und enden in einem bleireichen Showdown, den wir hier aber nicht verraten wollen.
In der mit der dritten zusammengefassten vierten Folge geht es dann ein Jahr später – 1932 – um einen Auftragsmord im „Haus Vaterland“. Während Charlotte dort „under cover“ ermittelt, verschlägt es Rath in die östlichen Provinzen des noch nicht nationalsozialistischen Reiches.
Die fünfte und sechste Folge schließen sich chronologisch nahtlos an. Die Handlung von „Märzgefallene“ spielt Anfang 1933 und damit unmittelbar im Kontext der Machtergreifung. Rath geht bei einem Karnevalsausflug in seine Heimatstadt Köln fremd und schlägt sich deshalb während der gesamten Zeit mit seinem schlechten Gewissen Charlotte gegenüber herum. Dann brennt der Reichstag, und ein bereits früher genannter Journalist spielt dabei auch eine Rolle. Während Rath dem Mord an einem Obdachlosen nachgeht, sieht sich Charlotte mit einer immer stärker um sich greifenden Neigung ihres beruflichen Umfelds zu den Nationalsozialisten konfrontiert, die sie an eine Kündigung denken lässt. Noch vor der für die Nazis überraschend positiv ausfallenden Neuwahl werden unliebsame weil rechtsstaatlich gesinnte Polizeiführer auch aus dem engeren Umfeld der beiden Protagonisten kaltgestellt. Während sich hier aktuelles Unheil anbahnt, deckt Rath Stück für Stück Kriegsverbrechen ehemaliger Weltkriegssoldaten während der letzten Kriegsmonate auf. Daneben läuft der zweite Handlungsstrang mit der aus der Nervenheilanstalt geflohenen Hanna und deren Verzweiflung und Überlebenskraft weiter.
Alle vier Folgen vermitteln einen authentischen Eindruck von der bewegten Zeit der frühen dreißiger Jahre ohne jegliches aufdringliche Moralisieren. Die traurigen Tatsachen sprechen für sich und benötigen keine erzieherische Kommentierung des Autors. Man sollte sich allerdings immer nur eine Folge zur Zeit anhören und größere Pausen zwischen den einzelnen Folgen einlegen, weil man sonst Personen und Ereignisse gern durcheinander bringt. Denn eine gewisse Redundanz der Erzählung tritt wegen der (fast) immer gleichen Personen und der Ähnlichkeiten der Handlung zwangsläufig auf, so dass man die einzelnen Folgen leicht durcheinander bringt.
David Nathan trägt die Geschichten in der für ihn typischen und unnachahmbaren Mischung aus lakonischem und hintergründig ironischen Tonfall vor, der diese Serie so hörenswert macht.
Die beiden Doppelpacks sind bei Hörbuch Hamburg erschienen, umfassen jeweils 6 mp3-CDs mit jeweils knapp 40 Stunden Laufzeit (für jeweils zwei Folgen) und kosten jeweils 20 Euro.
Frank Raudszus
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