Ältere Jahrgänge erinnern sich noch an die handgezeichneten Zukunftsschilderungen mit fliegenden Autos und Röhrensystemen à la Rohrpost für Fußgänger, vom Aufbruch in ferne Galaxien ganz zu schweigen. Viele werden sich auch noch an die Kultserie „Raumpatrouille“ mit Dietmar Schönherr erinnern.
Das Hessische Landesmuseum in Darmstadt (HLMD) hat jetzt die Epoche von den frühen Fünfzigern bis in die mittleren Siebziger zum Gegenstand der Ausstellung „Into the Space Age -Visionen und Design“ gemacht. Dabei stehen die damals neu entdeckte Atomenergie sowie die Raumfahrt im Vordergrund.
Es beginnt mit einem zwiespältigen Rückblick auf die ersten Atomtests in der Wüste von Nevada, die sich das geladene Publikum – laut Fotos – noch in Sichtweise der Explosion ohne besonderen Schutze anschaute. Wer aus diesem Publikum dann noch wie lange gelebt hat,, ist nicht vermerkt. Andere Ausstellungsstücke, Dokumente, Fotografien und Clips verweisen auf die endlosen Energiereserven der Nukleartechnologie und auf die Träume von einem goldenen Zeitalter. Parallel dazu eröffneten die von Wernher von Braun entwickelten Raketen die Möglichkeit, die Erde zu verlassen, und hier nehmen der sowjetische „Sputnik“ aus dem Jahr 1957 sowie Jurij Gagarin als erster Mensch im All (1961) mit Zeitungsartikeln aus der „Prawda“ und anderen Zeitungen eine zentrale Position ein.
Parallel dazu zeigt die Ausstellung die Zukunftseuphorie der damaligen Zeit auch im privaten Bereich. Der technologische Fortschritt wirkte sich auch auf die Gestaltung von Möbeln und Gebrauchsgeräten aus, seien es Radios oder Kassettenrecorder. Die allgemeine Aufbruchsstimmung vertrieb ab den 60ern die Nierentische, die Musiktruhen und die massiven Couchgarnituren aus den Wohnungen und ersetzte sie durch leichte, pop-farbene und geschwungene Möbelstücke aus den von der Chemiebranche neu entwickelten Kunststoffen. Der lebensfroh geschwungene Plastikstuhl ersetzte Opas Lehnsessel.
Doch diese fortschrittsgläubige Epoche erfuhr spätestens 1967/68 einen Riss durch die Studentenrevolten, die auf Änderung der – kapitalistischen – Verhältnisse drängte. Damals galt der Sozialismus den jungen Leuten noch als Utopie. Hier zeigt die Ausstellung die Kritik nicht nur an den Nuklearwaffen, sondern auch an der Atomenergie, unter anderem mit dem heute ikonischen Anstecker „Atomkraft? – Nein danke!“, aber auch mit Berichten über Proteste gegen Atomkraftwerke oder gegen den „Muff von 1000 Jahren“ an den Universitäten.
Wenn man sich um die verschiedenen, mal utopischen, mal eher schrägen, aber stets bunten Möbelgarnituren der damaligen Zeit herumschlängelt, gelangt man zu dem zweiten technologischen Höhepunkt dieser Epoche, der Mondlandung. Hier findet man natürlich die berühmtesten Fotos des Jahrhunderts: „Earthrise“ mit der am Mondhorizont aufgehenden Erde und Astronaut Armstrong beim Aufstellen der US-Flagge auf der Mondoberfläche. Das Ganze wird wieder eingerahmt von zeitgenössischen Zeitungsartikeln im Original und anderen Dokumenten.
Der Abgesang auf den Fortschrittsglauben dieser Epoche erfolgt auf den letzten Metern geradezu symbolisch mit Aufnahmen von Protesten gegen die Atomkraft sowie Berichten über die Ölkrise 1973 und die endlichen Ressourcen der Erde. So schließt sich am Ende der Kreis mit einer Entlarvung des naiven Fortschrittsglaubens.
Die Ausstellung ist noch bis zum 7. Januar 2024 geöffnet. Näheres ist auf der Webseite des HLMD zu erfahren.
Frank Raudszus
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