T. C. Boyle setzt sich in seinem neuen Roman „Blue Skies“ mit der nahenden Klimakatastrophe auseinander. Die Handlung spielt in den US-Staaten Florida und Kalifornien nach der Corona-Pandemie in naher Zukunft.
Familie Cullens – ein älteres Ehepaar mit zwei erwachsenen Kindern – bekommt die extremen Wetterlagen und die Gefahren durch wilde Tiere hautnah zu spüren. Ihre Tochter Cat lebt mit ihrem Mann Todd in Florida. Er ist Markenbotschafter eines bekannten Rum-Herstellers und geschäftlich viel unterwegs. Da Cat nicht berufstätig ist, langweilt sie sich oft, wenn ihr Mann nicht da ist, und greift immer häufiger zu Drinks, um bei Laune zu bleiben. Eines Tages kauft sie sich aus einer Laune heraus eine Tigerpython als Haustier. Sie träumt davon, in schickem Outfit mit dem Tier vor der Kamera zu posieren und damit als Influencerin im Internet hohe Abrufzahlen zu erreichen.
Cat hat keine Ahnung von Schlangen, sieht das Tier eher als Spielzeug und modisches Accessoire. Ihr Bruder Cooper, ein Insektenforscher, kritisiert seine Schwester heftig wegen ihrer naiven Einstellung zu den gefräßigen Würgeschlangen, die zuerst die Bisamratten, dann die Waschbären und schließlich sogar die Alligatoren in den Everglades aufgefressen hätten. Tigerpythons seien kein Spielzeug und schon gar nicht Kuscheltiere. Das wird Cat später noch auf bittere Weise erfahren, wenn sie zwei Zwillingstöchter bekommt.
Und auch Cooper wird eine schlimme Erfahrung mit der Tierwelt machen, wenn ihn eine infizierte Zecke beißt, er schwer erkrankt und seinen rechten Unterarm verliert. Ironie des Schicksals – und damit spielt T. C. Boyle gerne: Coopers Freundin arbeitet an einem Forschungsprojekt über Zecken.
Wir erleben als Leser, wie die Tierwelt dem Menschen durchaus gefährlich werden kann, besonders dann, wenn er – wie bei Cats Schlange – naiv mit Wildtieren umgeht. Aber auch die von den Menschen verursachte Klimakrise setzt den Protagonisten immer mehr zu. Todds und Cats Hochzeit beispielsweise sollte ein rauschendes Fest bei den Eltern in Kalifornien werden. Alles ist aufs Schönste vorbereitet, als ein Unwetter über die Hochzeitsgesellschaft hereinbricht, die Partyzelte wegfliegen lässt und sogar noch einen Brand ganz in der Nähe entfacht, so dass die Gäste fluchtartig das Gelände verlassen müssen.
Später in Florida hat Cat mit dem Hochwasser zu kämpfen und muss mit dem Boot vom Haus zum Parkplatz fahren. Pilze und Termiten befallen das Holzhaus, bis es schließlich zusammenbricht. Während Florida ertrinkt, herrschen in Kalifornien Temperaturen von 45 Grad Celsius. Viele Menschen sterben an Hitzschlag, Gemüse kann nicht mehr angebaut werden, weil das Wasser fehlt. Bienen und Motten sterben, und immer mehr Häuser brennen ab und gefährden Existenzen. Blut saugende Insekten vermehren sich rasant, und die Menschheit steuert auf neun Milliarden Menschen zu. Es ist der Tanz auf dem Vulkan, und am Beispiel der Cullens erlebt der Leser hautnah, wie die Welt aus den Fugen gerät.
Doch in dem Naturschutzgebiet, für das Cooper zuständig ist, vermehrt sich munter der Monarchfalter. Das Leben geht weiter, wenn auch unter anderen Vorzeichen….
Drastisch und erschreckend führt T. C. Boyle anhand der Familie Cullens vor, wie unsere nähere Zukunft aussehen könnte. Doch der Mensch strampelt immer weiter und tanzt ohne großen Erkenntnisgewinnung auf das Ende zu. Für die Welt und die Natur spielt das jedoch alles keine Rolle. Die Erde wird sich weiterdrehen, im schlimmsten – oder besten? – Falle auch ohne die Menschen. Was der Roman am Beispiel des Monarchfalters demonstriert.
T. C. Boyle hat das große Thema unserer Zeit, die Klimakrise, auf den Punkt gebracht. Gleichzeitig zeigt er aber auch, wie wenig lernfähig der Mensch ist und einfach nicht wahrhaben will, dass die Zeiger auf „kurz vor zwölf“ stehen.
Das Fazit dieses Romans lässt sich am besten mit einem Zitat aus der „FAZ“ ziehen: „Das Wetter radikalisiert sich und zu befürchten steht: es fängt gerade erst damit an“.
Das Buch liest sich ausgesprochen spannend und vermittelt viel Faktenwissen über die Pflanzen- und Tierwelt. Die bittere Ironie hinsichtlich des menschlichen Verhaltens lässt das Schmunzeln des Lesers jedoch im Ansatz erstarren.
Das Buch ist im Hanser-Verlag erschienen, umfasst 395 Seiten und kostet 28 Euro.
Barbara Raudszus
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