In Goethes „Zauberlehrling“ wagt sich die titelgebende Person an die Werkzeuge seines Meisters und erleidet wegen der ihm unbekannten „Technologiefolgen“ fürchterlichen Schiffbruch, aus dem ihn erst in letzter Minute sein Meiser erlöst. Die Menschheit, und hier vor allem die westlichen Industrienationen, kennt einen solchen rettenden „Meister“ nicht (mehr) und muss sich selber retten oder untergehen.
Die Kunsthalle Schirn am Frankfurter Römerberg zeigt dies anhand der Ausstellung „Plastic World“ über den künstlerischen Umgang mit der Kunststoff-Technologie, die unter dem plastischen „Plastik“-Begriff seit den sechziger Jahren weltweite Verbreitung gefunden hat. Dabei schaut diese Ausstellung aus zwei Perspektiven auf das „Plastik“: einmal aus der künstlerischen, aber auch aus der ökologischen. Das ist nicht unproblematisch, da sich auch die Künstler – die ja letztlich auch Konsumenten sind – lange Zeit den Kunststoffen gegenüber indifferent wenn nicht gar affirmativ verhalten haben. In der Rückschau ist Kritik zwar stets wohlfeil und grenzt an Beckmesserei, aber dennoch kann man als Ausstellungshaus natürlich den ökologischen Aspekt nicht unter den Teppich kehren.
So laufen denn diese beiden Betrachtungsweise mehr oder minder parallel durch die Ausstellung, wobei es durchaus Kunstwerke ohne Hinweise auf die ökologischen Folgen gibt, während bei anderen wiederum der – ästhetische wie ökologische – Langzeiteffekt von den jeweiligen Künstlern und/oder den Begleittexten in den Vordergrund gerückt wird.
Als erste hat die „Pop Art“ der sechziger Jahre den neuen Stoff übernommen, wobei Claes Oldenburg, Öyvind Fahlström oder Otto Piene beispielhaft genannt seien. Objekte des Alltags wie Waschbecken erschienen dann gerne in transparentem, farbigem Vinyl. Ein Raum – „An Air Aquarium“ übertitelt – enthält ausschließlich überdimensionierte Seelebewesen aus transparentem und teilweise farbigem Plastik. Diese Installation musste jedoch aufgrund der begrenzten Haltbarkeit der Kunststoffe neu angefertigt werden und wird durch Luftzufuhr ständig unter Druck gehalten.
Andere Künstler spielten mit den unterschiedlichen Aggregatzuständen von Kunststoffen, indem sie diese in heißem, flüssigen Zustand die unterschiedlichsten Formen annehmen und bei Erkaltung erstarren ließen. Diese lava-artigen Objekte sind in unterschiedlichen Größen und Farben vorhanden und erzählen zum Teil eigene kleine Geschichten.
Auch der Plastikmüll spielt eine Rolle, etwa in Gestalt alter Rasierapparate aus Plastik oder oder als Film über die nächtliche Beseitigung von Plastikmüll in Großstädten.
Trotz dieser deutlich zivilisationskritischen Arbeiten zeigt der größte Teil der Exponate die ästhetische Faszination, die die modernen Kunststoffe dank ihrer vielfältigen und flexiblen Eigenschaften auf die Künstler ausübte, und natürlich dachte in den fortschrittsgläubigen Sechzigern noch niemand an die Spätfolgen. Daher sollte man diesen künstlerischen Arbeiten oder gar Spielereien nicht mit dem Beckmessertum des Nachgeborenen begegnen, sondern sie einfach auf sich wirken lassen.
Die Ausstellung ist noch bis zum 1. Oktober 2023 geöffnet.
Frank Raudszus
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