Nahezu täglich erhöht sich die Zahl der Wörter der Alltagssprache, die aus irgendeinem Grunde – Rassismus, Ausgrenzung, Diskriminierung – als „tabu“ gelten. Dabei erfolgt die Indizierung nicht von einer staatlichen Stelle wie in Orwells „1984“, sondern von selbst ernannten Sprachwächtern, die ein breites Spektrum vom seriösen Sprachwissenschaftler bis zum selbsternannten Moralapostel abdecken. Erstaunlich ist dabei, wie schnell die Öffentlichkeit auf solche „Ausgrenzung“ bzw. „Diskriminierung“ von Worten in voreilendem Gehorsam eingeht, anstatt eine gesunde Skepsis zu bewahren.
Der Autor Matthias Heine hat sich jetzt unter der Sprach-Schirmherrschaft des Dudens dieses Themas angenommen – ist der Genetiv politisch noch korrekt? – und ein Wörterbuch der indizierten und gefährdeten Wörter herausgegeben. Dabei bemüht er sich bewusst um Sachlichkeit und geizt auch nicht mit lakonischen oder skeptischen Bemerkungen. Die Liste ist nicht nach politischer oder gesellschaftlicher Brisanz, sondern schlicht alphabetisch aufgebaut.
Für jedes in Frage kommende Wort gibt es vier Absätze: den Ursprung des Wort, die Art seines Gebrauchs, die Kritik, die an ihm geübt wird, und deren Einschätzung durch den Autor. Für die schnelle Orientierung führt ein Inhaltsverzeichnis am Schluss noch einmal alle Wörter auf.
Bei der Durchsicht der beanstandeten Wörter trifft man alte Bekannte, doch auch bisher vermeintlich unbescholtene Begriffe, die jedoch bei verschiedenen Aktivisten Proteste geweckt habe. Dass „Asylant“, „behindert“, „Mohr“ und „Neger“ (und dessen „Kuss“) als problematisch oder gar unmöglich betrachtet werden, ist mittlerweile Allgemeinwissen, dass jedoch auch Begriffe wie „Afrika“, „Breslau“, „Heimat“, „Kiew“, „Punkt“, „Vater/Mutter“ oder gar „Weihnachten“ bei vielen Aktivisten auf der Abschussliste stehen, verwundert denn doch, und die Begründungen wirken zum Teil weit hergeholt. In dem ein oder anderen Fall lässt auch der Autor seine Verwunderung durchblicken, generell zieht er sich jedoch auf eine tolerante Sichtweise zurück, die selbst in Extremfällen zum Schluss kommt, dass sich diese Ablehnung zwar nachvollziehen lasse, sich jedoch wahrscheinlich nicht durchsetzen werde, was der Autor dann bisweilen auch mehr oder minder deutlich begrüßt.
Das Buch ist für zwei Zielgruppen wichtig oder zumindest zu empfehlen: einmal für diejenigen, die sich unbedingt einer politisch korrekten Sprech- und Schreibweise bedienen wollen, aus welchem Grund auch immer; außerdem für diejenigen, die sich für die Entwicklung der deutschen Sprache interessieren und auch einen Blick auf die seltenen Blüten in diesem Sprachgarten werfen möchten. Man muss sich diese Blüten ja nicht ins Wohnzimmer stellen.
Das Buch ist im Duden-Verlag erschienen, umfasst 301 Seiten und kostet 22 Euro.
Frank Raudszus
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