Klein aber fein: so könnte man die neue Ausstellung des Städelmuseums über den Fotografen Andreas Mühe bezeichnen. Im großen Editorial zu dieser Ausstellung steht zwar, dass der 1979 geborene Mühe in seinen Fotos den jeweiligen historischen Kontext sowie seine eigene komplexe Familiensituation verarbeitet, doch die Familie wird nicht näher beschrieben. Das mag daran liegen, dass man den Künstler nicht auf seine bekannten Eltern – der Schauspieler Ulrich und die Intendantin Annegret Hahn – und seine ebenfalls schauspielernde Halbschwester Anna Maria reduzieren wollte, aber für die Besucher ist dieser familiäre Kontext durchaus von Interesse.
Die kleine Ausstellung enthält eine Reihe großformatiger Photographien, die thematisch wie Photomontagen wirken, jedoch offensichtlich nicht collagiert sind. Eine Reihe zeigt die Rückansicht einer Frau, die an Angela Merkel erinnert, vor historisch oder geographisch aufgeladenen Orten, etwa dem Reichstag oder einer bewusst romantisch getrimmten Waldszene. Aus dem Wandtext erfährt man dann, dass Mühes Mutter tatsächlich mit Blazer und Perücke die Altkanzlerin gedoubelt hat. Also kein Zufall, sondern ein bewusst gewählter historisch-politischer Kontext.
Eine andere Bilderreihe zeigt Arbeiter in Ganzkörper-Schutzanzügen und heroisch-verzweifelten Posen, die an die tödlichen Aufräumungsarbeiten 1986 in Tschernobyl erinnern. Das jeweils dramatisch drapierte rote Tuch dürfte dabei zumindest untergründig Assoziationen an die Rote Fahne wecken.
Dann wiederum spiegelt eine ganze Wand mit Fassaden eintönig-kleinbürgerlicher Einfamilienhäuser hinter hohen Bäumen unter dem Titel „Wandlitz“ die traurige Spießigkeit sowie die abweisende Kälte der DDR-Nomenklatura.
In einer weiteren Bilderreihe unter dem Titel „Obersalzberg“ persifliert Mühe die Selbstüberhebung der Nationalsozialisten anhand gestellter, pseudoheroischer Alpenbilder mit uniformierten Egos.
Diese komprimierte Ausstellung vermittelt einen bildlichen Eindruck historischer Ereignisse des letzten halben Jahrhunderts und ihre Auswirkungen auf die Zeitgenossen. Sie ist noch bis zum 19. Juni geöffnet. Näheres ist auf der Webseite des Städelmuseums zu erfahren.
Frank Raudszus
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