Die Protagonistin Parvin Schams, Amerikanerin mit afghanischen Wurzeln, entschließt sich nach dem Abschluss ihres Studiums in Berkeley, nach Afghanistan zu gehen. Einerseits möchte sie ihre eigene Identität erkunden, andererseits hat sie einen Roman über eine Frauenklinik in Afghanistan gelesen, der sie so beeindruckt hat, dass sie am liebsten dort vor Ort mitarbeiten würde. „Mother Afghanistan“ handelt von einem Augenarzt, der eine gebärende Frau vor dem Tode retten kann.
Schon die Anreise gestaltet sich recht abenteuerlich, denn das Dorf, in dem sie unterkommen soll, liegt abseits jeglicher Zivilisation in den Bergen. Sie wird dort ein Jahr lang mit einer typischen afghanischen Familie leben.
Als sie dort ankommt, gibt es noch nicht einmal ein eigenes Zimmer für sie. Die Familie ist reichlich mit Kindern gesegnet. Man schläft nachts in einem einzigen Raum. Parvin soll auch dort übernachten, was sie aber unerträglich findet. Sie bekommt schließlich den Ziegenstall zugewiesen, den sie sich selbst herrichten muss.
Anfangs sind sowohl die Erwachsenen als auch die Kinder ihr gegenüber sehr reserviert. Irgendwie kann kann dort niemand verstehen, warum eine Amerikanerin ein Jahr in Afghanistan leben will. Die Afghanen sind nach all den Erfahrungen mit ausländischen Besatzern sehr misstrauisch. Parvin tritt unverschleiert auf, womit sie weitere Ablehnung provoziert. Sie erlebt den Alltag der muslimischen Frauen mit ihren Eifersüchteleien, aber auch großer Nähe unter den Frauen und Kindern.
Langsam gewinnt sie die Herzen ihrer Familie, unter anderem, indem sie ihnen aus „Mother Afghanistan“ vorliest. Dabei stellt sich heraus, dass der besagte Augenarzt viele Details frei erfunden oder falsch dargestellt hat. Das Krankenhaus, in dem sie so gerne mitarbeiten wollte, steht leer. Nur einmal in der Woche kommt eine afghanische Ärztin, um den Frauen der Umgebung zu helfen, denn männliche Ärzte dürfen die Frauen nicht untersuchen.
Das beschauliche Leben im Dorf nimmt jedoch ein jähes Ende, als amerikanische Soldaten erscheinen, um dort eine Straße für die Bevölkerung zu bauen. Was von den Amerikanern gut gemeint ist, sehen die Afghanen jedoch anders. Sie sehen viele Probleme auf ihr Dorf zukommen. Misstrauen, Ängste, Missverständnisse bestimmen den Alltag um den Straßenbau, bis es zu kriegsähnlichen Zuständen kommt….
Die Autorin beschäftigt sich intensiv mit der afghanischen Dorfgemeinschaft, die über Jahrhunderte so gewachsen ist, wie sie sich heute darstellt. Die westlichen Ambitionen stoßen dort auf keine Gegenliebe. Auch für Parvin ist dort bei allem Engagement kein Platz in der Dorfgemeinschaft. Sie kommt eben doch aus einer anderen Kultur und kehrt schließlich in die USA zurück.
Amy Waldman hat einen weiteren Afghanistan-Roman geschrieben, der um Verständnis für dieses geschundene Land wirbt, aber die Einmischung der Besatzer in kein gutes Licht rückt. Die Afghanen wollen nicht von der westlichen Kultur „beglückt“ werden, auch wenn alles noch so gut gemeint war.
Das Buch ist im Schöffling-Verlag erschienen, umfasst 493 Seiten und kostet 26 Euro.
Barbara Raudszus
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