Anfang 1925 brach in dem kleinen Ort Nome im Nordwesten Alaskas mitten im eiskaltem Winter die Diphterie aus und bedrohte das Leben vieler Kinder. Ein Serum war nur aus dem 850 Kilometer (Luftlinie!) entfernten Anchorage zu bekommen, der Weg per Schiff war wegen des Eises versperrt, und das Fliegen war mit der damaligen Technik wegen der Eiseskälte und fehlender Landeplätze nicht möglich. So blieb nur der Transport per Bahn – das erste Drittel der Strecke – und per Hundeschlitten.
Dieses Jugendbuch beschreibt die Situation vor Ort sowie die gefährliche und aufopferungsvolle Schlittenfahrt mit einer Stafette von zwanzig Hundeschlitten durch Tag und Nacht in eisiger Kälte. Da es von der historischen Fahrt kaum Berichte oder Fotos gibt, musste die Autorin die biographischen und faktischen Lücken durch die eigene Phantasie ausfüllen. Das ist ihr ausnehmend gut gelungen, denn sie verzichtet auf jegliche emotionale Übertreibung oder gar Sentimentalität. Zu Beginn des Buches erläutert sie kurz die Struktur der Urbevölkerung – Stichwort „Eskimos“ – sowie die Besiedlung Alaskas durch die Goldsucher. Daran schließt sie direkt die eigentliche Geschichte an, und auch diese schildert sie, ohne der Verlockung zu erliegen, mit dem emotionalen Pfund der todkranken Kinder von Nome zu wuchern. Die Erwähnung der lebensgefährlichen Erkrankung und der Verweis auf einzelne Todesfälle reicht völlig, um die Phantasie der Leser arbeiten zu lassen.
Von Anfang spricht Lena Zeise selbstständig denkende Jugendliche statt unmündige Kinder an. Die Komfortzone des üblichen Kinderbuches mit kindlichen (kindischen?) Scherzen und Redewendungen betritt sie erst gar nicht, sondern konfrontiert die jugendlichen Leser von der ersten Seite an mit den harten Seiten des Lebens im Alaska der zwanziger Jahre. Der Text ist bewusst nicht zu einfach gehalten, sondern verlangt von den Lesern die Fähigkeit, auch längere Sätze zu verstehen und den Inhalt nachzuvollziehen. Die – teilweise ganzseitigen – Abbildungen liefern dann die emotionale Ergänzungen, obwohl auch diese eher realistisch als „kindgemäß“ daherkommen. Die unwirtliche Landschaft und die Eiseskälte springen die Leser förmlich aus den Bildern an und vermitteln einen ungeschminkten Eindruck von der Härte des Lebens allgemein und speziell dieser Rettungsfahrt.
Selbst als erwachsener Leser im vorgerückten Alter liest man dieses (Kinder-)Buch in einem Rutsch herunter und fühlt sich dabei durchaus nicht als Leser eines Kinderbuches. Man zittert mit den Hundegespannen und ihren mutigen Lenkern mit und ist heilfroh, wenn das Serum schließlich rechtzeitig und in verwendungsfähigem Zustand das Ziel erreicht.
Das Buch ist im Gerstenberg-Verlag erschienen, umfasst 40 Seiten und kostet 22 Euro.
Frank Raudszus
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