Sigmar Polke, der 2010 im Alter von 69 Jahren starb, war einer der exemplarischen deutschen Nachkriegskünstler. Nach einer Lehre der Glasmalerei studierte er an der Kunstakademie in Düsseldorf. Während seiner künstlerischen Laufbahn entwickelte er sich zu einem experimentellen Künstler, der sich ständig mit dem rasanten Wandel seiner Umwelt, speziell der Medientechnik, auseinandersetzte. Die derzeitigen Ausstellung „Produktive Bildstörung. Sigmar Polke und aktuelle künstlerische Positionen“ in der Kunsthalle Düsseldorf zeigt in ausgewählten Arbeiten seine Entwicklung sowie seine Stellung in der deutschen und internationalen Kunstlandschaft.
Die in der Ausstellung präsentierten Arbeiten zeichnen exemplarisch seine intensive Beschäftigung mit der technischen Entwicklung und deren Auswirkungen auf die Kunst nach. Die Serie „Der Teufel in Berlin“ etwa geht von einer archaisch anmutenden Grafik mit der Teufelsgestalt in wechselnden Kontexten aus. Polke stellt diese Gestalt nicht nur in verschiedene aktuelle Umgebungen, sondern er verzerrt die Figur darüber hinaus mit technischen Mitteln, indem er zum Beispiel die Grafikvorlage während des Kopiervorgangs auf einem modernen Kopierer beliebig verschiebt. Daraus ergeben sich intentional anmutende Verzerrungen unterschiedlichster Art. Damit unterläuft Polke bewusst die Erwartungshaltung der hinter allem eine bewusste – künstlerische oder politische – Absicht vermutenden Rezipienten. Neben einer spontanen Lust am Experimentieren mag auch die Absicht eine Rolle gespielt haben, das Zufällige und Unvorhersehbare in den Vordergrund zu stellen und sich einer eindeutigen Interpretation seiner Arbeiten zu entziehen.
Doch nicht nur figurale Verfremdungen spielen bei Polkes Arbeiten eine wichtige Rolle, sondern auch der experimentierende Wechsel der Materialien. Natürlich spielen dabei das Glas und ähnliche transparente Materialien eine wichtige Rolle. Bilder verschiedener Formate bestehen aus Überlagerungen unterschiedlicher Materialien, wobei das Figurative keine Rolle spielt. Die Form ist alles.
Darüber komponiert Polke immer wieder Bilder aus kontrastierenden Elementen, etwa ein technologisches Sujet, in das er abstrakte oder emotionale Elemente einbettet. Oder umgekehrt, indem er eine emotionale Konfiguration, etwa eine junge Familie mit Säugling, mit breiten, ja groben Farbflächen überdeckt und damit seiner inhärenten Aussage – „Kitsch? – entkleidet.
Parallel zu Polkes Arbeiten präsentiert die Ausstellung Arbeiten von Zeitgenossen wie Camille Henrot oder Max Schulze, die ähnliche Ansätze verfolgen, aber auch kontrastreiche Techniken wie Farbexplosionen auf raumhohen Fotopapierbahnen enthalten. Da die Arbeiten Polkes und die seiner Zeitgenossen nicht separat sondern in wechselnder Abfolge angeordnet sind, ergibt sich immer wieder ein reizvoller Vergleich der verschiedenen figuralen und farblichen Konzepte.
Was auffällt, ist die politische Abstinenz der ausgestellten Arbeiten. Obwohl Polke eine Zeitlang einen „Kapitalistischen Realismus“ verfolgte – was immer das ist -, lassen sich die hier ausgestellten Arbeiten nur mit großer Mühe als gesellschaftspolitische Kritik interpretieren. Das Spiel mit Form, Farbe und Figur, letztere gerne auch im Kontrast zwischen abstrakt-künstlerischem Hintergrund und alltäglichen Szenen, dominiert die Ausstellung.
Die Ausstellung ist noch bis zum 6.2. geöffnet. Weitere Informationen sind der Webseite der Kunsthalle Düsseldorf zu entnehmen.
Frank Raudszus
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