Der Roman „Love Addict“ der jungen britischen Autorin Kate Davies reiht sich ein in einen gegenwärtigen Trend in den Romanen der Unter-Dreißig-Jährigen, wie etwa der deutschen Schriftsteller Leif Randt mit „Allegro Pastell“ oder Marius Goldhorn mit „Park“ oder der britischen Schriftstellerin Sally Rooney mit „Normale Menschen“.
Hier stellt sich eine Generation dar, für die alle Wege eines individualisierten Lebensweges offen zu sein scheinen. Sie sind bestimmt durch schnelle digitale Kommunikation, durch Unverbindlichkeit ihrer Beziehungen und ihrer Orientierung an der größtmöglichen Lusterfahrung. Die Autorinnen und Autoren gehen unterschiedlich differenziert und kritisch mit der eigenen Lebensform und der jeweils zugehörigen Subkultur um.
Kate Davies jedoch fehlt eine differenzierte oder gar kritische Sicht der von ihr dargestellten lesbischen Londoner Subkultur weitgehend.
Ihre Protagonistin ist die 26-jährige Julia, die in ihrem langweiligen Job im Britischen Gesundheitsministerium Anfragen von Bürgern beantworten muss.
Nach wenig lustvollen Erfahrungen mit Männern und nach einer längeren sexuellen Durststrecke entdeckt sie plötzlich auf einer Party von nun auf jetzt ihre lesbischen Neigungen. Was folgt, ist ihr Weg in eine lesbische Beziehung, die als solche ihren feministischen Grundsätzen entspricht, in ihrer Machtstruktur jedoch größere Abhängigkeit schafft, als sie es bis dahin in Hetero-Beziehungen erfahren hat.
Es ist schwer nachvollziehbar, dass die Protagonistin sich ungebremst in eine Welt begibt, in der es nur um Sex und um den Kick immer härterer Praktiken geht, dass sie sich in Sex- Clubs führen lässt und zu exhibitionistischen „Abenteuern“ verleiten lässt, obwohl sie sich dabei zumindest unwohl fühlt. Das alles wird begleitet von Drogenkonsum und mehr als reichlichem Alkoholkonsum mit den entsprechenden Folgen am nächsten Morgen.
Die Autorin nimmt dabei ihre Leserinnen an die Hand, um sie mit den verschiedensten Praktiken vertraut zu machen. Wen das interessiert, die wird in diesem Buch auf ihre Kosten kommen.
Wer jedoch an der Entwicklung plausibler Charaktere und einer differenzierten Handlung interessiert ist, die sollte ihre Zeit nicht mit diesem Buch verschwenden. Die Handlung ist banal, teilweise wegen der langatmigen Beschreibung von Sex-Szenen eher langweilig.
Julia ist die Tochter mittelständischer, gebildeter, gemäßigt alternativer Eltern – der Vater ist Dozent für Literatur in Oxford -, die sich der neuen Orientierung der Tochter gegenüber liberal geben, sie aber tatsächlich ablehnen. Es grenzt an Klischee, dass die einzige Tochter dieser Geborgenheit entflieht und sich für ein extrem ausgeflipptes Leben entscheidet. Die Eltern, insbesondere die Mutter, in ihrem Bedürfnis, nicht als spießig zu erscheinen, setzen ihr nichts entgegen.
Das Londoner Leben spielt sich ab in der WG mit einem befreundeten Paar, das nach anfänglicher Harmonie natürlich auch in eine Krise gerät; die Frauen sind füreinander Trösterinnen, Beichtmütter, aber auch Kontrahentinnen.
Die Freundinnen der lesbischen Szene ignorieren weitgehend Julias Verstrickung in eine ungute Machtbeziehung. Offenbar ist alles erlaubt, wenn es nur eine lesbische Beziehung ist.
Im weiteren Verlauf entwickelt sich diese Beziehung wie eine Liebesschmonzette mit dramatischen Streits und ebenso dramatischen Versöhnungen, und das in mehrfacher Wiederholung. Den Ausgang kann man sich denken, er soll hier aber dennoch nicht vorweggenommen werden. Es könnte ja sein, dass andere Leserinnen, insbesondere Jüngere, Gefallen an dieser Geschichte finden.
Die Rezensentin konnte es nicht. Vielleicht ist sie auch zu alt und zu prüde. Auf jeden Fall hat sie sich schlicht gelangweilt.
Das Buch ist im S. Fischer Verlag erschienen; es hat 507 Seiten und kostet 23 Euro.
Elke Trost
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