Christoph Nußbaumeder erzählt in seinem prallen Roman „Die Unverhofften“ deutsche Geschichte von 1899 bis 2019 und legt dabei den Schwerpunkt auf die Wirtschafts- und Sozialgeschichte.
Am Beispiel der jungen Maria, einer Arbeiterin in Eisenstein im Bayerischen Wald, führt der Autor die Leser in die Arbeitswelt der Glasfabriken im ausgehenden 19. Jahrhundert ein. Die Besitzer der Glasfabriken werden als „Glasbarone“ bezeichnet, die durch die brutale Ausbeutung ihrer Arbeiter hohe Profite einfahren. Die Arbeiter haben keine Rechte, müssen sechzehn Stunden am Tag arbeiten, erhalten einen Hungerlohn und müssen sogar den bei der Arbeit entstandenen verschuldeten Glasbruch aus dem kargen Lohn ersetzen. Es ist ein extrem hartes Leben am Rande des Existenzminimums.
Als Maria von ihrem Arbeitgeber vergewaltigt wird, flieht sie aus Eisenstadt, brennt aber vorher aus Rache noch die Glasfabrik ihres Chefs nieder. Ihr Traum ist es, nach Amerika auszuwandern, wo die Arbeiter angeblich eigene Rechte haben und in Freiheit leben können.
Der Einstieg in den Roman zeigt deutlich die Situation der einfachen Menschen im Vergleich zu den Arbeitgebern auf. es wird klar, dass es so nicht weitergehen kann und das die geknechteten Arbeiter sich wehren werden.
Der Roman ist eine Familiengeschichte über vier Generationen. Es geht um Liebe, Enttäuschung, Verrat und Rache für erlittenes Unrecht. Außerdem um Ehrgeiz und wirtschaftlichen Erfolg, die für die Deutschen stets prägend waren. Wer da nicht mitspielt, fällt durch das Raster.
Die Brüder Vinzenz und Josef vom Hufnagelhof sind sehr unterschiedliche Charaktere. Während Vinzenz als SS-Mann im Konzentrationslager wütet, zieht Josef in den Krieg und verliert dort ein Bein. Dennoch verliert er nicht den Mut und macht Karriere als Fabrikant und später als CSU-Politiker. Vinzenz dagegen ist verbittert, verfällt dem Alkohol und bleibt innerlich ein Nazi. Mit der Situation im Nachkriegsdeutschland kommt er nicht zurecht.
In der nächsten Generation erleben wir eine glückliche Liebe, die jedoch im unverschuldeten Desaster endet. Die Wunden, die das Leben schlägt, prägen die Protagonisten.
Alles in allem ist es ein praller, lesenswerter Roman, der bis zum Ende die Spannung hält und immer wieder überraschende Wendungen bringt.
Das Buch ist im Suhrkamp-Verlag erschienen, umfasst 667 Seiten und kostet 25 Euro.
Barbara Raudszus
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