Leyla hat einen kurdischen Vater und eine deutsche Mutter und lebt mit ihren Eltern in Deutschland bei München. Dort geht sie in die Schule und wächst wie ein deutsches Kind auf. Nur in den Sommermonaten schicken die Eltern sie in das kurdische Dorf, in dem noch die Großeltern, Cousinen und Cousins leben. Sechs Wochen verbringt sie dort jedes Jahr und lernt das einfache Dorfleben der jesidischen Bewohner kennen.
Man wohnt dort in einfachen Lehmhäusern, die nur aus zwei Räumen bestehen. Im Sommer herrscht große Hitze, und so halten sich die Familien auf dem Boden sitzend im Haus auf, trinken viel Tee und unterhalten sich. Die Schwerpunktthemen sind die Verheiratung der jungen Mädchen, die Landwirtschaft und Familienstreitigkeiten. Die Tage vergehen sehr gleichförmig, und Leyla liebt das gemütliche Zusammensein, die einfachen Tätigkeiten bei der Essenszubereitung und die Gespräche mit ihrer Großmutter. Sie beobachtet die routinierten Bewegungen ihrer Oma, die für alles einen ganz eigenen Rhythmus hat. Ob es die Hühner sind, die sie füttert, oder die Samen, die sie auf das Feld streut. Leyla ist dort nie allein, ganz im Gegensatz zu München, wo sie die Nachmittage allein in der Wohnung verbringt.
Leylas Vater liebt seine aufgeweckte Tochter und erzählt ihr vieles über die Vertreibung und die immer wieder erneute Entwurzelung des jesidischen Volksstamms. Nirgends sind sie erwünscht, immer nur geduldet bis zum nächsten Konflikt oder gar Massaker. Das Leben ohne eigenes Land ist hart. Ihr Vater erzählt ihr von drei Leylas, die ihr Leben dem Widerstand und dem Kampf für ein eigenes Land gewidmet oder sogar geopfert haben. Nach diesen drei Leylas hat er seine Tochter benannt und vermittelt so dem Kind den Anspruch, den er an sie stellt.
Leyla legt das Abitur in Deutschland ab und geht zum Studium nach Leipzig. Aber es wird für sie keine unbeschwerte Zeit, denn der Krieg in Syrien und die Ermordung oder Versklavung vieler Jesiden durch den IS setzen ihr sehr zu. Sie fühlt sich immer zerrissener, haltloser und denkt immer an das Dorf, in dem ihre Großmutter und eine weite Verwandtschaft leben. Inständig hofft sie, dass es dort nicht zu Vertreibungen und Massakern kommt. Letztlich löst die Flucht der Großmutter nach Deutschland und die Begegnung mit ihr eine Entscheidung bei ihr aus.
Ronya Othmann hat einen bewegenden Roman über das Schicksal der jesidischen Kurden geschrieben, der unter die Haut geht.
Das Buch ist im Hanser-Verlag erschienen, umfasst 285 Seiten und kostet 22 Euro.
Barbara Raudszus
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