John Bolton (* 1948) gilt als ein Konservativer, auf den der Begriff „Falke“ wie auf wenig andere passt. Er tritt konsequent für die nationalen Interessen der USA ein und hat daraus in seinen verschiedenen Regierungspositionen auch keinen Hehl gemacht. Von April 2018 bis zum September 2019 war er als Sicherheitsberater des Präsidenten Donald Trump für die Entwicklung von internationalen Handlungsoptionen der USA zwecks Entscheidungsvorlage für den Präsidenten zuständig. Dazu gehörte auch die Koordination der Ministerien für Außenpolitik und Verteidigung bei der Beratung des Präsidenten. Am 10. September 2019 trat er von dem Posten zurück, da er für sich keine sinnvolle Arbeitsgrundlage mehr sah. In dem vorliegenden Buch zeichnet er die Ereignisse dieser knapp eineinhalb Jahr detailliert nach und legt dabei die Schwächen der US-Politik aus seiner Sicht offen.
Bolton hat das Buch in erster Linie chronologisch organisiert, innerhalb dieser sich anbietenden Struktur jedoch nach Themen geordnet. Das erlaubt eine Konzentration auf bestimmte politische Probleme, führt aber zwangsläufig zu chronologischen Redundanzen. Die sind jedoch nicht notwendigerweise nachteilig, da so bestimmte Zeitpunkte aus verschiedenen (außen)politischen Perspektiven geschildert werden.
Bolton erhebt in diesem Buch nicht den Anspruch, selbst ein durchgehendes Konzept oder gar eine politische Strategie vorzulegen. Zwar kann man seine strategische Haltung an vielen Stellen durchschimmern sehen, dies aber nur als Folge seiner Tätigkeit als Entwickler und Bewerter von Handlungsoptionen für den Präsidenten. Die „Fakten“ des täglichen Politikbetriebes stehen bei seinem Bericht im Vordergrund. Auch die Kritik an Donald Trump kommt nicht in Gestalt einer polemischen Abrechnung zum Tragen sondern lediglich in nüchternen Berichten über Trumps Aktionen und Äußerungen.
Die diplomatischen Beziehungen zu den anderen Großmächten Russland, China und der EU sowie die vielfältigen Treffen mit deren Führern spielen in diesem Buch eine zentrale Rolle, ebenso jedoch die bekannten Probleme mit den notorischen Störenfrieden wie Nordkorea, Iran und Venezuela. Bolton schildert die internen Besprechungen über die jeweils akuten Probleme bzw. anstehenden Treffen sowie letztere selbst.
In allen diesen Schilderungen werden zwei Dinge deutlich: einerseits die mangelnde intellektuelle Kapazität und Konzentrationsfähigkeit Donald Trumps, andererseits die ständige Neigung der großen Ministerien, nicht nur gegeneinander sondern vor allem gegen den koordinierenden Sicherheitsberater Bolton zu arbeiten, um Trumps Aufmerksamkeit für die eigenen Belange zu monopolisieren.
Donald Trump agiert wie ein pubertierender Dreizehnjähriger. Seine Lieblingsthemen sind einerseits die zu geringen Verteidigungsbeiträge Europas (vor allem Deutschlands) und Asiens, andererseits die (vermeintliche) persönliche Zuneigung der (anderen) Mächtigen dieser Welt ihm gegenüber. Diese „Liebe“ (er benutzt das Wort explizit des Öfteren) spiegelt seinen wohl aus Unsicherheit geborenen Wunsch wider, geliebt zu werden, und zwar vor allem von mächtigen Menschen. Die finanzielle Seite der amerikanischen Welt(polizei)politik bricht bei ihm in fast jeder Besprechung in Form ausschweifender Anklagen unabhängig vom Thema der jeweiligen Besprechung durch, was eine konzentrierte Abhandlung komplexer Themen in seiner Gegenwart fast unmöglich macht. Auf ähnliche Weise torpediert er jegliche Analyse der Beziehungen zu den anderen Mächten, indem er die Bewunderung – ja: Liebe! – Kim Jong Uns , Xi Jinpings oder anderer Potentaten reklamiert, aus der er einen „big deal“ machen will. Komplexe Sachverhalte versteht er nicht und nickt beim Vortrag entweder ein oder schwenkt abrupt zu einem seiner Lieblingsthemen (s. o.) um.
Als ebenso bedenklich wenn nicht gar schlimmer stuft Bolton die obstruktive Arbeitsweise der Ministerien ein. Politik besteht für ihn aus Aktionen, die etwas verändern, etwa Sanktionen gegen Nordkorea oder den Iran. Im Bereich des Außen- und Verteidigungsministeriums führen solche Aktionen jedoch zwangsläufig zu negativen Konsequenzen in anderen Bereichen, etwa in Form von Kollateralschäden für andere Länder. Da an allen diesen etablierten Verhältnisse nicht nur interne Strukturen sondern auch persönliche Beziehungen oder Karrieren hängen, unterlaufen die entsprechenden Abteilungen solche – vereinbarten und abgestimmten! – Aktionen durch Nichtstun, Informationsvorenthaltung oder eine Flut von Einwänden, die jedoch erst nach der Entscheidung und aus der zweiten Ebene kommen. Bolton zeigt dies besonders deutlich an einer geplanten militärischen Antwort auf den Abschuss einer US-Drohne durch den Iran, die nach einem einhelligen Beschluss der obersten Gremien und der Zustimmung Trumps durch einen „heimlichen“ Einwand der Rechtsabteilung bei Trump selbst abgesagt wurde. Da dies nicht auf dem Dienstweg geschah, waren Gegenmaßnahmen nicht möglich. Ein intellektuell schwacher und unsicherer Präsident lässt sich durch geschickte Manipulationen dieser Art leicht beeinflussen, vor allem im Vier-Augen-Gespräch. In den – in jeder Hinsicht – kopfstarken Besprechungen der obersten Gremien wagt er mangels Kompetenz keine Einwände und stimmt den vorgeschlagenen Maßnahmen zu, im anschließenden Zweiergespräch mit einer „besorgten“ Einzelperson kippt er dann aber leicht um. Beim Lesen dieser Beispiele fliegt einen ein mehr als leichtes Gruseln an, dass einerseits so eine Person die mächtigste Position weltweit innehat und dass andererseits seine Berater und Ministerien gegeneinander arbeiten.
Dass Boltons politische Vorschläge zu den erwähnten Problemgebieten nicht gerade nach dem Prinzip des „Appeasements“ gestaltet sind, sondern dass er zu Zugeständnisse erst nach entsprechenden Zusagen der anderen Seite bereit ist, ist angesichts der Weltlage nachvollziehbar. Er sieht in China und Russland in erster Linie Konkurrenten, denen man aus vermeintlicher Sympathie vorab keine politischen Gastgeschenke überreichen darf. Iran und Nordkorea sieht er mit ihren jeweiligen Atomprogrammen dagegen als eine akute Gefahr für die USA und fordert dort konsequent Verhandlungshärte.
Das heißt jedoch nicht, dass Bolton autoritäre Methoden unterstützt oder gar propagiert. Vielmehr stellt er diese Neigung bei Trump bloß, wenn er von dessen Frage berichtet, ob man kritische Journalisten nicht verhaften und sie zur Herausgabe ihrer Informationsquellen zwingen könne. Bolton enthält sich zu diesem von Trump wohl ernst gemeinten Vorschlag jeglichen Kommentars, aber dieser spricht für sich.
Schon nach zwölf Monaten spielte Bolton angesichts der unberechenbaren Sprunghaftigkeit Trumps und der mangelnden Konsistenz und Konsequenz bei Entscheidungen und deren Durchsetzung mehrere Male mit einem Rücktritt, doch erst die Ukraine-Krise mit der Verquickung von politischen und persönlichen Interessen Trumps führte dann zu der endgültigen Entscheidung, von Trump noch befeuert.
Das Buch vermittelt einen erschreckenden und doch informativen Einblick in das Innerste der US-amerikanischen Weltpolitik unter Donald Trump, und man kann nach der Lektüre nur hoffen, dass er im November nicht wiedergewählt wird. Schlimmer kann es eigentlich nicht werden.
Das Buch ist im Verlag „Das neue Berlin“ der Eulenspiegel-Verlagsgruppe erschienen, umfasst 638 Seiten und kostet 28 Euro.
Frank Raudszus
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