Das Staatstheater Darmstadt leidet wie alle Theater unter der Alterung seines Publikums. Film, Fernsehen und vor allem das Internet bilden gerade bei jüngeren Leuten eine immer größere Konkurrenz, und das Theater erscheint bei dieser Zielgruppe zusehends als angestaubt und pseudo-elitär.
Deshalb entwickelt auch das Staatstheater Darmstadt verschiedene Aktivitäten, um näher an theaterferne Bevölkerungsschichten, vor allem die Jugend, heranzukommen. So hat man ein Projekt „Kranichstein represent“ gestartet, in dem man darstellerische Aktivitäten aus dem Theater hinaus und den gleichnamigen Stadtteil hinein zu tragen versucht. Durch öffentliches Casting und direkte Ansprache von Passanten auf der Straße des lange Zeit als sozialer Brennpunkt geltenden Vororts konnte man eine Gruppe von vier jungen Leuten gewinnen, die nach einem gemeinsam erarbeiteten Regiekonzept Texte und Szenen an verschiedenen Örtlichkeiten vor und mit den den Passanten spielten. Anschließend versammelten sich die Beteiligten am 11. März in der Bar der Kammerspiele zu dem Talkshow-Format „An der Bar“, um vor Publikum über das Projekt zu diskutieren. Anwesend waren neben dem Schauspieldirektor Oliver Brunner die vier Darsteller – drei junge Frauen und ein junger Mann aus Kranichstein -, der Regisseur und zwei Vertreter der Kreativ-Gruppe DIESE, die für die Spielstätten zuständig waren.
Auf die Fragen Oliver Brunners nach ihren Erfahrungen betonten die jungen Darsteller(innen), dass sie von diesem Projekt begeistert gewesen seien, einerseits wegen der eigenen Möglichkeit, sich einzubringen, andererseits wegen der Akzeptanz und Teilnahme seitens der lokalen Bevölkerung. Gerne würden sie auch an weiteren, ähnlichen Projekten teilnehmen, wobei Oliver Brunner jedoch darauf hinwies, dass dieses Format wegen des hohen Aufwands voraussichtlich nicht in gleicher Weise wiederholt werden könne.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs wurden die Teilnehmer auch über die Zukunft des Theaters befragt. Dabei schälte sich bei den jungen Leuten die Auffassung heraus, das Theater habe eine Bringschuld in Gestalt intensiver Werbung, während die eigene Holschuld in Form von aktivem Interesse am Theater nicht erwähnt wurde. Eine junge Teilnehmerin verwies beiläufig auf die „alten“ Stücke in altmodischer Sprache und mit „alten“ Problemen, die für junge Leute uninteressant seien. Neben gesellschaftlicher Relevanz sei auch der „Spaß“ von Theaterprogrammen wichtig. Allerdings zeigte der Verzicht auf konkrete Beispiele, dass diese skeptische Bewertung des Theaterprogramms offensichtlich nicht auf eigener Kenntnis des laufenden Programms sondern eher auf Vorurteilen beruhte.
Schauspieldirektor Brunner bejahte dennoch die Forderungen und wies mehrfach darauf hin, dass man an diesen Veränderungen arbeite. Wer den Spielplan kennt, weiß allerdings, dass aktuelle gesellschaftliche Probleme nicht nur in zeitgenössischen, sondern auch in den bewussten „alten“ Stücken verhandelt werden. Da könnte man den jungen Leuten mal raten, von sich aus ins Theater zu gehen.
Wichtig war auch die Aussage des Regisseurs, der auf die Frage nach einer digitalen Zukunft des Theaters darauf hinwies, dass der große Vorteil des Theaters gegenüber den elektronischen Medien eben die „analoge“ Präsenz menschlicher Darsteller vor einem realen Publikum sei.
Frank Raudszus
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