Die Bildungs- und Schulpolitik ist derzeit ein Dauerbrenner in den öffentlichen und privaten Diskussionen vor allem von Eltern schulpflichtiger Kinder. Die geradezu katastrophale Bildungssituation in den großen Stadtstaaten – allen voran Berlin und Bremen – und die sich stetig verschlechternde Situation in Ländern wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen üben auf Eltern von Kindern und Jugendlichen einen wachsenden Druck aus, da sich die Politik offensichtlich den Erkenntnissen verschließt.
In dieser Situation haben Béa Beste und Stephanie Jansen einen praktischen Ratgeber für das gemeinsame Lernen von Eltern und Kindern entworfen, der vor allem von spielerischen Ideen ausgeht. Dazu entwerfen sie zuerst einmal ein Bild der kindlichen Entwicklung vom Embryo bis zur Pubertät, angefangen von den ersten Sinneseindrücken im Mutterleib bis hin zum Erwerb der Sprache und dem Erfassen der Welt bei Kindern. Dabei bedienen sie sich bewusst eines burschikosen Tonfalls, der Ansprache mit Du/Ihr sowie „cooler“ Worte und Redensarten der Generation zwischen zwanzig und dreißig, um einen möglichst breite Zielgruppe von Eltern zu erreichen.
All diese Erkenntnisse sind mehr oder minder bekanntes Allgemeinwissen, jedoch zutreffend und durchaus der nochmaligen Zusammenfassung wert. Bei der Frage der genetischen Veranlagung, speziell der Intelligenz, beziehen sie sich jedoch bewusst(?) nicht auf den offiziellen Stand der Wissenschaft, sondern auf einen einzelnen Vertreter der Wissenschaft – Howard Gardner – der eine Vielfalt von „Intelligenzen“ zulässt. Damit unterschlägt er die enge Kopplung aller zusätzlichen Intelligenzvarianten auf ganz wenige ausschlaggebende Basiselemente. Die Absicht dahinter ist nicht zu übersehen: auch den – nach altem Muster – weniger begabten Kindern und damit deren Eltern irgendeine, natürlich gleichwertige Art der Intelligenz zuzuerkennen. Tröstlich aber nicht unbedingt hilfreich.
Auch die Feststellung, es komme heute nicht mehr auf den Erwerb des Wissens selbst, sondern nur darauf an, es – natürlich im Internet – aufzufinden, krankt an einem grundsätzlichen Irrtum. Erstens würde diese Sicht der Wissensverarbeitung die Gesellschaft in zwei Klassen aufteilen: die intellektuell privilegierte Schicht der Wissensersteller und -vermittler sowie die der minder privilegierten weil „unwissenden“ Abnehmer. Zweitens verfügen die Experten der Wissensauffindung natürlich mangels eigenen profunden Wissens nicht über die Fähigkeit, die gefundenen Informationen auf „richtig“ und „falsch“ zu überprüfen. Leute wie Trump freuen sich über eine solche Zielgruppe!
Dafür bieten die beiden Autorinnen jedoch eine breite Palette von wissensorientierten Spielen für Kinder und Jugendliche. Zwar überdecken die meisten Spiele eine zu große Altersgruppe, z.B. „5-15″ oder 7-15“, aber das ist weniger kritisch, da die Älteren dabei zumindest keinen Schaden nehmen. Das aufgeführte Spielmaterial ist nach bestimmten Kriterien sortiert, etwa Wortspiele, Fragenstellen, Naturwissenschaft, Musik, Humor und andere. Bei all diesen Wissensspielen steht tatsächlich das Spielerische im Vordergrund. Das ist für Kinder bis 10 oder 12 Jahren sicherlich angebracht und dem Wissenserwerb förderlich. Jugendliche jedoch wollen – wenn sie denn wollen – tiefer gehende Sachinformation, die nicht mehr mit dem fröhlichen Kindergestus vermittelt werden kann. Pubertierende Jugendliche wollen nicht als Kinder behandelt werden.
Darüber hinaus können diese Wissenselemente – Mathematik, Physik, Philosophie -nicht mehr mit punktuellen Spielereien vermittelt werden, sondern nur in einem treppenförmigen Prozess aus Basis- und Spezialwissen. Und hier liegt auch die Krux dieses Buches, dessen Autorinnen die Einstellung vermitteln, man könne alles durch spielerische Aktivitäten in der Gruppe erlernen. Das gilt noch für Kinder, aber nicht mehr für Jugendliche mit echtem Wissensdrang. Wer sich komplexe Wissenssysteme erschließen will, kommt um das „einsame Büffeln“ nicht herum!
Fazit: Das Buch ist geeignet, Motivation und Wissenserwerb auf verschiedensten Sachgebieten bei Kindern bis zu ca. zwölf Jahren zu fördern, darüber hinaus in seiner Effizienz jedoch mehr als fraglich.
Das Buch ist im Duden-Verlag erschienen, umfasst 368 Seiten und kostet 19 Euro.
Barbara Raudszus
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