Festakt und Jubiläumskonzert mit dem Symphonischen Orchester des Landestheaters
Wer seinen 100. Geburtstag feiert, so meint man, besitzt einen reichhaltigen Erinnerungsschatz, aus dem es sich zu berichten lohnt. Zugleich zählt man aber für gewöhnlich zu den letzten Mohikanern seiner Generation, und die Endlichkeit des Daseins gewinnt an spürbarer Realität. Das Landestheater Detmold zeigt sich stark auf den Seiten seiner 100-jährigen Geschichte – dazu ist es aber auch zu seinem runden Geburtstag höchst belebt und hat die Segel für das nächste Jahrzehnt längst gesetzt. Unter den bundesweit 24 Landestheatern, darf es sich sogar stolz als das größte Landestheater bezeichnen und stellt somit im Kreise seiner Generation einen Leuchtturm in der deutschen Theaterlandschaft dar. Wir können also schon heute darauf vertrauen, dass hier in Detmold noch sehr lange musikalische und schauspielerische Zukunft für Lippe und seine Gäste geschrieben wird. Und dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil die fünfjährige Zukunft glücklicherweise bereits finanziell abgesichert ist und selbiges ein kontinuierlich gesetztes Ziel darstellt.
An diesem Abend dürfen wir uns über ganz besondere Gäste freuen. Außer-lippisch sei hier vor allem Frau Isabell Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen genannt. Sie wird vom Intendanten Georg Heckel herzlich empfangen ebenso wie jene Herren, die sich in Lippe für den Fortbestand und die Entwicklung des Landestheaters engagieren. Hierbei sei zuerst einmal jener Herr genannt, der fußläufig keine fünf Minuten zum Theater benötigt, denn Stephan Prinz zur Lippe lebt tatsächlich vis à vis im Residenz-Schloss. Seine Vorfahren gründeten 1825 das „Hochfürstliche Lippische Hoftheater“. Arne Brand als Vertreter der Verbandsvorsteherin des Landesverbands Lippe repräsentiert den heutigen Träger des Landestheaters und hat somit indirekt die Fürstenfamilie beerbt. Noch in den Händen des Fürsten brannte das Theater 1912 nieder und wurde während des ersten Weltkrieges wiedererrichtet. Zum 28. September 1919 fand dann nach der Abdankung des Fürsten die festliche Einweihung als Landestheater statt. Wie Stephan Prinz zu Lippe aber so amüsant aus dem originalen Tagebuch seines Großvaters vorliest, sah dieser das Tagesgeschehen noch etwas anders, als er „von der Eröffnung seines Theaters“ schrieb. Das Schmunzeln auf den Gesichtern des Publikums kann Arne Brand elegant erweitern, als er spricht: „Nun ja, damals sei Detmold ja noch Provinz gewesen – heute glücklicherweise nicht mehr“.
Es folgen Reiner Heller, Bürgermeister der Stadt Detmold und Dr. Axel Lehmann, Landrat des Kreises Lippe und gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender des Landestheaters. Herr Lehmann hebt noch einmal den Wert des Landestheaters für die Bevölkerung im Sinne seines Beitrags für eine hohe Lebensqualität sowie als wichtiges Kulturangebot für das touristisch beliebte Lippe hervor. Da das Landestheater ein Reisetheater ist, fungiert es kontinuierlich auch als Botschafter und kann somit einen deutlich über die Region hinaus gehenden Impuls für die Attraktivität des geographischen Zentrums Ostwestfalen-Lippes in die Republik tragen.
Neben Laudatio und den freundlich unterhaltsamen Gesprächsrunden auf der Bühne besticht an diesem Abend das künstlerische Angebot durch sehr viel Abwechslungsreichtum. Das Symphonische Orchester unter der Leitung von GMD Lutz Rademacher eröffnet den Abend mit Johannes Brahms, Akademische Festouvertüre op. 80, und schließt mit Brahms, 2. Sinfonie D-Dur op. 73, Allegro con spirito. Diese außergewöhnliche musikalische Klammer verleiht dem Abend einen festlichen Charakter und würdigen Rahmen. Amüsant sind die kurzen Einblicke in die Werke der neuen Saison. So erleben wir zunächst einen Szenenausschnitt aus „Maria Stuart“ von Friedrich Schiller, dessen Dialogintensität die Spannung im Saal kurzzeitig anzieht und wieder löst. Den schauspielerischen Abschluss bildet „Yvonne, Prinzessin von Burgund“ von Witbold Gombrowicz. Hierbei stehen selbstherrliche junge Männer im Vordergrund, die sich aberwitzigerweise und im vollen Überfluss von genau dem Gegensätzlichen angezogen fühlen, als man meinen sollte. Nämlich von einer Frau von „unsagbar hässlicher Gestalt, träger Teilnahmslosigkeit und jeglichem Mangel an Ausstrahlung“. Premiere hierzu ist leider erst am 25. April 2020 – verspricht aber schon heute einen vergnüglichen Abend.
Malte Raudszus
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