In seinen mittwochabendlichen „Lauschangriffen“ in den Kammerspielen des Staatstheaters Darmstadt betrachtet Konzertdirektor Gernot Wojnarowicz die Musik aus verschiedenen Perspektiven des lebensalltags. Diese Mal hat er sich das Reisen vorgenommen, und da die ursprünglichste Form des Reisens das Wandern war, beginnt er gleich womit? Natürlich mit Schuberts „Winterreise“. Schon gleich zu Beginn des Abends legt Wojnarowicz eine Pause am Brunnen vor dem Tore unter dem Lindenbaum ein, um gleich darauf nostalgisch-musikalisch zu versichern, dass „sein Vater ein Wandersmann war“. Dann springt er mit Leroy Andersons „Horses and Buggy“ in das 20. Jahrhundert und bleibt dort erst einmal mit Prokofjews „Schlittenfahrt“, die ihn natürlich postwendend an Andersons berühmte und plattgewalzte „Musikalische Schlittenfahrt“ erinnert.
Dann fällt ihm ein, dass man ja neben Pferden auch andere Tiere zum Reiten benutzen kann, und lässt Lohengrins „mein lieber Schwan“ ertönen, nicht ohne an die moderne Doppelbödigkeit dieses Titels zu erinnern. Mit „Lawrence von Arabien“ kommt kurz das Kamel ins Spiel, bevor der Referent als heimlicher Wahl-Hamburger (in Darmstadt gibt´s nur den Woog!) mit Rod Stewarts „I´m sailing“ auf seinem geliebten Segelboot an Bord geht. Die wogende See lässt ihn nicht los und spült ihn nach einem wilden Sturmgebraus aus „Othello“ (Una vela, un vesillo“) schließlich „Somewhere beyond the ocean“. Von dorther grüßt – fliehend nur – das „Hupkonzert“ von György Ligeti, und George Gershwin bringt ihn als „Amerikaner in Paris“ wieder nach Europa zurück.
Natürlich darf das Auto trotz seiner Umweltschädlichkeit als Reisemittel nicht fehlen. So ertönt bereits in den späten Sechzigers aus Liverpool das Angebot „Baby you can drive my car“, und noch früher war Duke Ellington mit einem „Caravan“ unterwegs (obwohl das eigentlich „Karawane“ bedeuten soll…). Der Motorradfahrer aus „Easy Rider“ kommt „Born to be wild“ dahergefahren, und schließlich landen alle Auto- und Motorradfahrer auf dem „Highway to Hell“. Angesichts dieser Höllenfahrt ist nur noch eine „Autofahrt durch Moskau“ (Schostakowitsch) schlimmer, und folgerichtig träumt Reinhard May davon, das die „Freiheit über den Wolken grenzenlos“ sein muss. Der hat da noch nicht an die Treibhausgase beim Fliegen gedacht. Da sollte man diese gequälte Erde gleich ganz verlassen, und Gernot Wojnarowicz tut dies mit der Filmmusik zu „Raumschiff Orion“ aus den Sechzigern.
Mit dieser nostalgischen Erinnerung – für ältere Semester – endet eine unterhaltsame Reise durch das musikalische Archiv des Impresarios Wojnarowicz.
Frank Raudszus
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