Nachdem das 3. Sinfoniekonzert und das zeitlich benachbarte 4. Kammerkonzert durch die Pianisten-Brüder Jussen eng gekoppelt waren, waren auch die jeweiligen Folgekonzerte am 17. und 20. Januar über das Violoncello eng verzahnt. Stand es im 5. Kammerkonzert ganz im Mittelpunkt, so bildete es im 4. Sinfoniekonzert drei Tage später den Kern des Solokonzertes. Der junge britische Dirigent Kerem Hassan trug die Verantwortung für ein klanglich facettenreiches Konzert.
Am Anfang stand die Komposition „Amber“ der zeitgenössischen Israelin Chaya Czernowin. Das für großes Orchester geschriebene Werk entstand im Jahr 1993 und hat eine außergewöhnliche Skulptur als inspirierende Grundlage. Es beginnt mit langsamen, ausgedehnten und ostinaten Figuren in tiefer Lage und verfällt anschließend in einen fast unhörbaren leisen Geigenton – quasi Stille. Daraus entstehen wieder lang gezogene Bögen, die den Eindruck einer „dröhnenden Leere“ vermitteln. Minimalistische, weil sich stetig wiederholende Elemente prägen den Hintergrund. Eine aufrauschendes Geräusch wie eine auflaufende Brandung und helle Flötentöne vermitteln kurzfristig den Eindruck von Möwenschreien am Meer. Dann prägen leichte Pizzicati in hohen Lagen das akustische Bild, und der Schluss kommt plötzlich mit einer kurzen Streicherfigur. Das Bestechende an dieser Komposition sind die ständig changierenden Klangfarben, die aus dem wechselnden Zusammenspiel der einzelnen Instrumentengruppen entstehen. Kerem Hasan gelang es auf beeindruckende Weise, zusammen mit den aufmerksamen Musikern des Orchesters die unterschiedlichen Klangräume bis ins Detail auszuleuchten.
Im Mittelpunkt stand Joseph Haydns Cellokonzert in C-Dur, vermutlich aus dem Jahr 1761, interpretiert von der jungen Niederländerin Harriet Krijgh. Dieses Werk strahlt klassisches Gleichmaß und Frische zugleich aus. Den in mäßigem Tempo voranschreitenden ersten Satz prägt ein eingängiges Thema, und Harriet Krijgh hatte gleich in der Kadenz dieses Satzes die Möglichkeit, ihre musikalische Ausdrucksstärke zu beweisen. Das Orchester ging von Anfang an mit hoher Konzentration und frischem Elan zu Werke. Das Zusammenspiel mit der Solistin zeichnete sich dabei durch ausgeprägte Abstimmung aus, woran Dirigent Kerem Hasan einen großen Anteil hatte. Das Adagio des zweiten Satzes zelebrierte Harriet Krijgh förmlich mit hoher Intensität, wobei sie die einzelnen Töne buchstäblich auskostete. Auch hier zeigte sie in der Solokadenz eine geradezu bewegende Musikalität. Den Finalsatz nahmen sie und das Orchester in erstaunlich straffem Tempo, was jedoch ihrem Vortrag dank einer hervorragenden Technik in keiner Weise schadete. Im Gegenteil, durch ihre temporeiche Interpretation gewann dieser Satz und damit das ganze Konzert an Dynamik und Lebendigkeit.
Die obligatorische Zugabe dank des kräftigen Beifalls des Publikums enthielt wiederum einen Querverweis auf das Kammerkonzert drei Tage zuvor. Es war die „Sarabande“ aus Johann Sebastian Bachs 1. Suite für Violoncello Solo, die auch dort schon erklungen war.
Nach der Pause stand Béla Bartóks „Konzert für Orchester“ aus dem Jahr 1943 auf dem Programm. Dieses aus fünf Sätzen bestehende und streng symmetrisch um die zentrale „Elegia“ organisierte Werk spiegelt Bartóks prekäre Situation im amerikanischen Exil nach der Flucht aus Europa wider. Die „Introduzione“ beginnt wie ein Trauermarsch und geht dann in weite Bögen der Blechbläser über. Vereinzelt meint man Anklänge an Filmmusik zu hören. Das „Giuoco delle coppie“ beginnt im Schlagzeug und geht dann in tänzerische leichte Bewegungen über. Die „Elegia“ ist als eine latente Klage gestaltet, jedoch ohne vordergründige Effekte. Dabei zitiert sie den Beginn des ersten Satzes wieder. Das „Intermezzo“ beginnt mit einem scharfen Auftakt, geht dann in rhythmisch versetzte, ruhige Passagen über. Das bekannte absteigende Thema erinnert ein wenig an Richard Strauss´ „Till Eulenspiegel“. Auch Anklänge an die Filmmusik sind hier wieder zu hören. Das Final schließlich beginnt mit einem Hornsignal und geht dann in ein jagendes Tempo über. Nach einigen ruhigeren, klanglich komplexen Passagen steigert sich das Final zwei Mal zu einem wirbelnden Crescendo, bevor es dann wirklich mit einer kurzen Wendung endet.
Dirigent und Orchester zeigten sich bei diesem klanglich und dynamisch außerordentlich komplexen Werk von ihrer besten Seite. Kerem Hasan benötigte nur wenige Bewegungen, um das Orchester stets in Spannung zu halten und die einzelnen Klangfärbungen transparent herauszuarbeiten. Die Einsätze und Intonationen der einzelnen Instrumente überzeugten durch ihre Präzision und Präsenz, so dass die musikalische Spannung bis zum Ende aufrecht erhalten blieb. Ein krönender Abschluss eines anspruchsvollen Konzertes.
Der Beifall des Publikums würdigte die Leistung des gesamten Ensembles angemessen.
Frank Raudszus
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