Dass das Internet nicht nur den Einzelhandel sondern auch die Presse und die Verlagsbranche durcheinandergewirbelt hat, ist heute eine weitgehend unbezweifelte Erkenntnis. Dass die Betroffenen dies grundsätzlich aus ihrer Perspektive und mit reduzierter Distanz sehen, ist dabei verständlich. Franklin Foer ist in der Wolle gefärbter Journalist, hat die Auswirkungen des Internets hautnah miterlebt und seine Überlegungen dazu in diesem Buch niedergelegt.
Vorab ist festzustellen, dass er auf jegliche polemische Attacken verzichtet und sich um eine weitgehend sachliche Bewertung bemüht. Dennoch sind seine Ausführungen mehr von Meinung als von detaillierter Analyse geprägt. Die Meinung muss deshalb nicht „falsch“ sein – was immer das heißt -, sie ist jedoch durch die eigene Brille gefärbt.
Das zeigt sich bereits in den ersten Kapiteln, in denen er den Werdegang der drei Internetgiganten Google, Facebook und Amazon schildert. Dabei gründet er seine Meinungen weniger auf den Randbedingungen und Konsequenzen der (Internet-)Technologie als auf den Charakteren der Protagonisten Larry Page, Mark Zuckerberg und Jeff Bezos, die er tendenziell als moralisch fragile Technikfanatiker schildert. Diese Eigenschaft ist jedoch, wenn sie denn in dem Ausmaß stimmt, ein typisches Merkmal aller Pioniere und kein Alleinstellungsmerkmal der drei Firmenchefs.
Foers Fokussierung auf bewertende Betrachtungen lässt sich an zwei Beispielen auf Seite 46 zeigen. Hier fällt er folgende Urteile: „Das Internet will mit seinen Tentakeln die Welt umarmen und wickelt sich um alles und jeden“ sowie „Technische Eliten sind von Natur aus großspurig, aber in den Augen der Welt sind die meisten ihrer hochtrabenden Projekte nichts als eitler Wahn“. Vor allem die zweite Formulierung ist in ihrer Pauschalisierung zumindest fragwürdig und führt zu keinem Erkenntnisgewinn. Ähnliche Verdikte unterlaufen Foer im Rahmen seiner verständlichen Empörung über die Entwicklung des Internets immer wieder, enthalten jedoch stets eine gewisse Portion Wahrheit. Foer will nicht verdammen sondern verändern und schießt dabei argumentativ bisweilen etwas über das Ziel hinaus. Wer das einkalkuliert und bei der Lektüre eine gewisse Distanz wahrt, kann dennoch aus diesen drei Kapiteln viele neuen Erkenntnisse gewinnen. Denn Waisenknaben sind alle drei Firmenchefs nicht, und ihre Firmen keine soziale Einrichtungen.
Das beste Kapitel behandelt – unter dem Titel „Welt ohne Geist“ – die Entwicklung des Journalismus seit den frühen 20. Jahrhundert bis heute. Foer schreibt dem Journalismus ein von Hochmut durchaus nicht freies Elitedenken zu, das mit einer tiefsitzenden Verachtung alles Ökonomischen einhergeht. Der intellektuell anspruchsvolle Leitartikel als Ausweis der eigenen Intellektualität steht bei dem „echten“ Journalisten im Vordergrund, die Zahl der Leser weniger. Dieser Journalist schreibt für ein zahlenmäßig kleine, elitäre Zielgruppe und die Tatsache, dass man die „Klickrate“ in Zeitungen früher nicht messen konnte, wiegte ihn in dem Glauben einer breiten Präsenz in der Öffentlichkeit. Mit dem Internet hat sich das Bild vollständig geändert, und Klickraten bestimmen jetzt den „Wert“ eines Artikels, sprich das Interesse der Werbeindustrie. Zumindest implizit wirft Foer seinen Kollegen vor, sich um den ökonomischen Aspekt des Journalismus nie gekümmert und damit zu der heutigen Situation beigetragen zu haben. Zu Recht beklagt er, dass auch in Online-Redaktionen heute die Klickraten zählen und Überschriften nach ihrem „Lockfaktor“ entworfen werden.
Im letzten Kapitel entwirft Foer deshalb Alternativstrategien. Die Zeitungsbranche selbst kann sie nicht mehr umsetzen, weil sie einerseits nicht über die Marktmacht verfügt und andererseits sowieso zu spät kommt. Foer sieht die politische Begrenzung der Informationsmonopole als einzige Möglichkeit, der ungesunden Entwicklung gegenzusteuern. Dazu greift er weit zurück auf die Kartellbehörden der USA in den 30er Jahren, die damals in allen Monopolen eine Gefahr für die Demokratie sahen. Die kartellrechtlichen Beschränkungen bezüglich IBM und AT&T in der Nachkriegszeit sind für ihn ebenfalls ein Zeichen gelungenen politischen Eingreifens gewesen. Das mag zwar durchaus zutreffen, allerdings vergisst Foer, dass die spätere Entwicklung erst mit der Deregulierung möglich war, denn die politischen Vorgaben für die Märkte der beiden Firmen bildeten in den siebziger Jahren in keiner Weise die technologische Entwicklung ab. Politik kann die Technik nicht – oder nur sehr begrenzt – steuern, und das auch nur auf Kosten einer sinnvollen Zusammenführung verschiedener Technologien, z. B. Telefon und Computer.
Für die Meinungsbildung trifft das nicht in gleichem Maße zu, weil hier das Gut der freien Meinungsäußerung und des Zugangs auf Information höher zu veranschlagen ist als die Bequemlichkeit des Alltags. Foer fordert daher zu Recht eine Begrenzung der Informationsmacht der großen Internet-Firmen. Und neben der Politik holt er auch den (Internet-)Nutzer ins Boot, der durch überlegte Nutzung, Reklamation des Datenschutzes und eine bewusste „Treue“ zum seriösen Medium viel für die Stabilisierung des Informationswesens tun kann. Außerdem kann der Endnutzer auch als politisches Wesen seine Stimme in den Ring werfen. Dabei sieht Foer jedoch angesichts des Trumpschen Vorbildes derzeit wenig Chancen.
Foer kann außer der politischen Karte kein Patentrezept vorweisen. Wie sollte er auch? Er stellt sich jedoch als ernsthafter und nie polemischer Mahner mit seinen Mitteln gegen eine zweifelhafte Entwicklung, die das Internet mit sich gebracht hat. Es ist allerdings Zeit, diese Probleme grundsätzlicher anzugehen und nicht auf einige große Firmen und ihre Chefs einzuengen.
Das Buch ist im Blessing-Verlag erschienen, umfasst 288 Seiten und kostet 18 Euro.
Frank Raudszus
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