Vor einer inhaltlichen Bewertung dieses Buches sind einige Angaben über den Autor erforderlich, die für sich sprechen und zeigen, wie Integration aussehen kann.
Ahmad Mansour ist arabischer Israeli und kam vor knapp fünfzehn Jahren mit einem Visum zum Studium nach Deutschland. Zu Beginn sprach er nach eigenen Aussagen nur sehr bruchstückhaft Deutsch. Dreizehn Jahre später schreibt er auf Deutsch ein Buch über die Integration der Migranten, denn der Vorspann erwähnt keinen Übersetzer aus dem Arabischen! Darüber hinaus hat er mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft erworben und benutzt bei allen Ausführungen über deutsche Verhältnisse und Voraussetzungen ganz selbstverständlich das Wort „wir“. Hier hat kein Palästinenser einen „Persilschein“ der Staatsangehörigkeit erworben, um unter dessen Schutz in einer wie auch immer gearteten Parallelgesellschaft zu leben, sondern hier hat sich ein Migrant vorbehaltlos für Zugehörigkeit zu einem anderen Kulturkreis entschieden – ohne allerdings deshalb seine Herkunft zu verdrängen oder gar zu denunzieren.
Mansour beschreibt eindringlich seine anfänglichen Schwierigkeiten: die mangelnden Sprachkenntnisse führten dazu, dass er nicht ernst genommen wurde. Das wiederum hatte Ausgrenzungsempfindungen zur Folge und die Versuchung, entweder heimzukehren nach Palästina oder es sich in einem muslimischen „Ghetto“ bequem einzurichten. In einer fiktiven Autobiographie schildert er im Zeitraffer, wie er sich aus Frustration zu arabischen Freunden zurückzieht, dann eine von den Eltern ausgesuchte palästinensischer Frau heiratet, die kein Wort Deutsch spricht, Vater wird, mit deutschen Frauen fremdgeht, sich schließlich in Moschee und muslimischem Stadtviertel abkapselt und den Kontakt zur ungeliebten deutschen Mehrheitsgesellschaft auf das Minimum reduziert.
Doch sein Stolz hielt ihn davon ab, und dank harter Arbeit an sich selbst integrierte er sich vollständig und wurde ein durchaus kritischer Teil dieser Gesellschaft. Heute arbeitet er als anerkannter Berater, Coach und Autor in der Migrationsforschung und Unterstützung vielfältiger Integrationsprojekte.
Das Buch zeichnet sich durch die Betonung der Praxis anstelle politischer Theorien oder gar Ideologien aus. So berichtet er von Gesprächen mit (muslimischen) Gefängnisinsassen, denen er durch geschickte Gesprächsführung neue Erkenntnisse über die Gründe ihrer Probleme vermittelt. In Rollenspielen zeigt er typische Szenen eines patriarchalischen Haushalts mit dem auf Gehorsam und Gewalt beruhenden Verhältnis zwischen Vater und Sohn, die spontan zu Wiedererkennungseffekten bei seinen „Kunden“ führen.
Das patriarchalische System des Islam ist denn auch einer der ersten und wesentlichen Kritikpunkte. Hier sieht er die Pflicht der Migranten, sich dem offenen und demokratischen System des Westens zu öffnen und die eigene Kultur kritisch zu hinterfragen. Dazu gehören auch die Gleichberechtigung der Frauen und der Verzicht auf Gewalt zur Lösung von Problemen. Mit wenigen markanten Gesetzen skizziert er ein ehernes hierarchisches System, das Alter über Jugend stellt und Männer über Frauen. So hat der älteste Mann – im Zweifelsfall der Großvater – in einer Migrantenfamilie die absolute Autorität, auch wenn er weder die Sprache noch die Regeln des Gastlandes kennt. Die letzten in dieser „Nahrungskette“ sind die jungen Mädchen, die sich noch den Anweisungen jüngerer Brüder zu fügen haben.
Auf der anderen Seite geht Mansou mit der falschen Toleranz alternativer und linker Kreise in Deutschland ins Gericht, die selbst schweres Fehlverhalten muslimischer Männer – Frauen keine Hand geben, sexuelle Belästigung – noch als verständliche Reaktionen auf (Jahrhunderte lange ) Diskriminierungen und Kolonisierung entschuldigen und die ankommenden Migration grundsätzlich als traumatisierte Opfer sehen, die es ( vor rechten Angriffen) zu beschützen gilt. Mansour stellt klipp und klar fest, dass sich die Migranten an Recht und Gesetz des Ziellandes – hier Deutschland – zu halten haben und dass sie für ihr eigenes (Fehl-)Verhalten in vollem Umfang verantwortlich sind – von Ausnahmen einmal abgesehen. Ja, er schreibt dieser gutmeinenden Toleranz einen „Kuscheltier“-Effekt zu. Den Vertretern dieser Ideologie geht es im Grunde nur darum, selbst auf der richtigen Seite zu stehen und „gut“ zu sein. Da wird jeder Kritiker schnelle zum „Rechtsextremen“. Mansour gibt dazu eine Reihe von Kommentaren aus dem Internet auf seine Kritik an dem muslimischen System wieder, die leider nicht nur von fundamentalistischen Musilims sondern auch von den deutschen Vertretern absoluter Toleranz kommen. Die bittere Ironie dabei ist, dass (christliche) Deutsche einen muslimischen Kritiker über das richtige Islamverständnis und die Migrationsgründe belehren wollen.
Neben dem Patriarchat greift Mansour auch das muslimische Religionsverständnis an: die wortgetreue Akzeptanz des Korans und die geradezu aggressive Abwehr jedweder Hinterfragung dieses religiösen Buches. Für ihn geben Muslime mit der geradezu sklavischen Befolgung des Korans jede Eigenverantwortung für ihr Leben ab und delegieren sie nach „oben“. Auch hierzu hat er bitterböse Kommentare bis hin zu Morddrohungen erhalten.
Doch auch Deutschland und hier vor allem Politik und Behörden sind Ziel seiner berechtigten Kritik. Die Integrationsbemühungen folgen für Mansour keinem einheitlichen Konzept, beschränken sich zu sehr auf Spracherwerb und gehen nicht auf die Ängste und Motive der Migranten ein. Die Politik müsste das System eines offenen und demokratischen Staates einschließlich Trennung von Kirche und Staat sowie Gleichberechtigung der Geschlechter wesentlich intensiver an die Migranten vermitteln und dabei deren Motivation und Neugier wecken. Das erfordert ein langfristiges, durchdachtes Konzept sowie eine echte Qualitätsoffensive. Seinen Erfahrungen nach sind die existierenden Integrationsmaßnahmen von sehr unterschiedlicher Qualität und bisweilen nur ein lukratives Geschäftsmodell der externen Anbieter.
Zum Schluss stellt Mansour noch zehn Punkte vor, die für eine gelingende Integration der Migranten unerlässlich und zügig umzusetzen sind. Gleich zu Beginn stellt er die Forderung nach Integration ohne „politische Ängste“, d.h. einen starken Staat, der den Migranten statt falscher Toleranz klare Vorgaben bezüglich der einzuhaltenden Regeln vermittelt. Standardisierung und Evaluation der Integrationsmaßnahmen gehören ebenso dazu wie effektive Bildungs- und Sozialarbeit oder die Verabschiedung eines Einwanderungsgesetzes. Für die Vermittlung der Werte des Grundgesetzes an die Migranten ist für Mansour wegen der Wichtigkeit dieses Punktes sogar ein eigener „Bundesgipfel“ erforderlich. Ebenso, wie gelungene Integration seitens der Migranten auch explizit belohnt werden sollte, muss der Staat für Mansour gegenüber integrationsunwilligen oder gar kriminellen Migranten Stärke und Konsequenz bis hin zur Rückführung zeigen. Außerdem solle man Paten- und Mentorensysteme einführen und vor allem den innermuslimischen – reformerischen! – Diskurs staatlich fördern und unterstützen.
Mansours Buch ist trotz klar akzentuierter Kritik an allen Seiten frei von billiger oder parteiischer Polemik. An den „roten Linien“ des Grundgesetzes spricht er jedoch klare Worte, die meist zu Lasten seiner muslimischen Glaubensgenossen gehen. Man merkt jedoch sein ernsthaftes und konstruktives Bemühen, die labile und sich partiell destabilisierende Migrationslage in den Griff zu bekommen und eine langfristig zufriedenstellende Lösung zu finden. Man kann nur hoffen, dass seine Appelle an beide Seiten nicht ungehört verhallen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Das Buch ist im Verlag S. Fischer erschienen, umfasst 303 Seiten und kostet 20 Euro.
Frank Raudszus
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