Fernando Aramburu: „Patria“

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Es ist ein wahrhaft umfangreiches Werk, das Fernando Aramburu mit diesem Roman vorgelegt hat. Zwei Familien im Baskenland zur Zeit des ETA-Terrors erzählen ihre Geschichte.

Bittori, deren Mann Txato Opfer der ETA wurde, hat sich ein Jahr lang in ihrer Trauer vergraben. In ihrem Dorf konnte und wollte sie keinen Tag länger bleiben. Durch den Mord an ihrem Mann war auch sie aussortiert worden. Keiner wollte mehr etwas mit ihr zu tun haben. Der Mord war wie ein Makel, der an ihr klebte. Am schlimmsten war dabei, dass ausgerechnet die besten Freunde den Umgang mit ihr abbrachen, als sie ihn am dringendsten gebraucht hätte.

Bittoris Kinder Xabier und Nerea und auch andere Verwandte drangen darauf, dass Txato auf dem Grabstein nicht als Opfer der ETA gekennzeichnet wurde. Deshalb wurden nur Name und Todesdatum eingraviert. Der feige Mord, die ungerechte Behandlung durch die Dorfbewohner – all das nagt an Bittori. Nagt so sehr an ihr, dass sie nach dem Trauerjahr beschließt, wieder in ihr Dorf und ihr Haus zurückzukehren. Erst tut sie es heimlich, dann immer offensichtlicher. Das bringt Unruhe ins Dorf, denn natürlich beobachten alle, wie Bittori herumschleicht.

Auch eine ehemals gut befreundete Familie mit Ehefrau Miren und Ehemann Joxian beobachtet, dass Bittori zurückgekehrt ist. Das wühlt sie ungeheuer auf, denn erstens kocht der Mord an Txato wieder hoch, und zweitens nagt an allen das schlechte Gewissen wegen des lieblosen Verhaltens Bittori gegenüber. Doch auch diese Familie wurde durch die ETA ins Mark getroffen. Zwar kam hier niemand zu Tode, aber der Sohn Joxe Mari hat sich mit siebzehn Jahren von seiner Familie abgewandt und ist als Kämpfer für die ETA in den Untergrund gegangen. Hier lässt er sich an Waffen ausbilden und kämpft gegen Spanien, um das Baskenland zu befreien.

Am Tage des Mordes an Txato wurde ein junger Mann mit Kapuzenjacke in der Nähe des Tatorts gesehen. War es vielleicht Joxe Mari? Beide Familien befürchten, dass es so war. Während des gesamten Romans hängen Schuld und Sühne wie ein Damoklesschwert über den ehemals befreundeten Familien.

Der Roman lässt den Leser nicht mehr los. Die Handlung treibt gnadenlos voran. Immer mehr Details weben das Gesellschaftsbild einer ganzen Epoche im Baskenland. Was Terrorismus für den Einzelnen bedeutet, wie zerstörerisch und gnadenlos er vorgeht, wird anhand dieser beiden Familien für den Leser erfahrbar gemacht. Am schlimmsten trifft es Joxe Mari, den Kämpfer, der so viel bewegen wollte und am Ende zwanzig Jahre seines Lebens im Gefängnis verbringt, wo er mehrfach fast zu Tode geprügelt wird. Dennoch gibt es ein versöhnliches Ende für Joxe Mari und Bittori, das beiden eine Zukunft ermöglicht.

Das Buch ist im Rowohlt-Verlag erschienen, umfasst 756 Seiten und kostet 25 Euro.

Barbara Raudszus

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