Nicole Krauss stellt ihrem Roman ein Kafka-Zitat voran, das auf die Vertreibung aus dem Paradies verweist: „Es ist also zwar die Vertreibung aus dem Paradies endgültig, das Leben in der Welt unausweichlich, die Ewigkeit des Vorgangs aber macht es trotzdem möglich, dass wir nicht dauernd im Paradies bleiben könnten, sondern tatsächlich dauernd dort sind, gleichgültig ob wir es hier wissen oder nicht.“
Es geht in Nicole Krauss´ Roman um die Irrungen und Wirren des Lebens. Der Titel „Waldes Dunkel“ klingt geheimnisvoll, ist jedoch tatsächlich einem Zitat aus Dantes „Göttliche Komödie“ entnommen: „Ich fand auf unseres Lebensweges Mitte in eines Waldes Dunkel mich verschlagen, weil ich vom rechten Pfad verirrt die Schritte.“
Menschen kommen vom Weg ab. Jules Epstein beispielsweise muss im vorgerückten Alter hinnehmen, dass seine Frau sich von ihm trennt. Auch seine Eltern sterben. Plötzlich ist der erfolgreiche Anwalt aus New York auf sich selbst zurückgeworfen. Daraufhin spürt er seinen jüdischen Wurzeln nach, löst sein Vermögen auf, verschenkt seine Kunstwerke und verwirklicht seine großartige Idee, in der israelischen Wüste wieder einen Wald aufzuforsten. „Waldes Dunkel“ – Rückgewinnung eines Paradieses?
Nicole, die zweite Protagonistin des Romans, ist Schriftstellerin und verlässt ihre Familie in Brooklyn. Sie flüchtet Hals über Kopf in das Hilton-Hotel in Tel Aviv. Dort war sie in ihrer Jugend jedes Jahr mit ihren Eltern, hat das Hilton als ruhigen, harmonischen Ort in Erinnerung und hofft, dort zu sich selbst zu finden. Doch dazu findet sie keine Muße, da ein merkwürdiger Professor der Literaturwissenschaften, ehemaliger Mossad-Mitarbeiter und inzwischen schon im Ruhestand, ihr ständig zusetzt, einen Roman über Kafka zu schreiben. Der tschechische Dichter sei nicht in den zwanziger Jahren gestorben, sondern heimlich nach Palästina ausgewandert und dort erst dreißig Jahre später gestorben. Der Professor versorgt Nicole mit angeblich authentischem Material, unter anderem mit einem Koffer voller Kafka-Manuskripte, und setzt sie in der Wüste in einer Hütte aus. Nicole erkrankt und überlebt dieses Abenteuer nur knapp. Beide Protagonisten gehen bis an ihre äußersten Grenzen, bis sie sich schließlich „häuten“, das heißt, ihr altes Leben vollständig abstreifen.
Der Roman handelt von Leben und Tod, ergeht sich in Rätseln und nimmt den Leser mit in Traumwelten, die mit der Realität verschmelzen. Für den Leser ist das alles sehr verwirrend, sozusagen „kafkaesk“, und nicht ganz einfach zu entwirren.
Das Buch ist im Rowohlt-Verlag erschienen, umfasst 377 Seiten und kostet 24 Euro.
Barbara Raudszus
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