Die Oberstufenschülerin Nuphar Schalev arbeitet während der Schulferien in einer Eisdiele. Neben dem Verdienst hatte sie auch ein wenig darauf gehofft, auf jemanden zu treffen, der sich für sie interessiert, denn sie hat das Gefühl, die letzte verbliebene Jungfrau in ihrer Klasse zu sein. Wenn im nächsten Sommer die Felder eine gelbe Farbe annähmen, wäre für sie die Zeit gekommen, zur israelischen Armee zu gehen.
Während sie hinter der Eistheke ihren Gedanken nachhängt, betritt Jotam die Eisdiele. Genau das hatte sie sehnlichst herbeigewünscht und auf die Chance gehofft, ihm näher zu kommen. Aber Jotam ist nicht alleine. Er kommt mit einer Clique, in der sich fatalerweise auch Nuphars ehemals beste Freundin Schir befindet. Nuphar fühlt sich hässlich und alleine. Wie gerne würde auch sie vom Glanz einer Clique profitieren. Doch dann ist die Gruppe schon wieder verschwunden. Eine Schulklasse folgt, verlangt Eis, und während Nuphar noch ihren Gedanken nachhängt, ist die Kindergruppe verschwunden, ohne das Eis zu bezahlen. Nuphar fühlt sich betrogen und zu Recht noch elender.
An einem der nächsten Tage steht ein junger, unwirscher Mann in der Eisdiele, und Nuphar kommt etwas verspätet an die Theke. Sogleich blafft der junge Mann sie an, und sie wehrt sich verbal. Doch der dreiste Typ drischt mit der Hand auf die Glastheke und beleidigt Nuphar auf üble Weise. Erst fasst sie die Worte nicht, die er ihr entgegen schleudert, doch dann stürzt sie kopflos in den Hinterhof und will sich nur noch verkriechen. Der junge Mann rennt hinter ihr her und packt sie am Arm. Da schreit sie aus Leibeskräften, Zeugen eilen herbei, und der junge Mann wird in Polizeigewahrsam genommen.
Von diesem Augenblick an gerät Nuphars Leben in völlig andere Bahnen. Der junge Mann war nämlich nicht irgendwer, sondern ein Fernsehstar. Seine Handlung wird als sexueller Übergriff bewertet und Nuphars Schrei als erfolgreiche Gegenwehr. Nuphat tritt im Fernsehen auf und wird in Talkshows interviewt. Man berichtet über ihr mutiges Verhalten in der Zeitung. Nuphar genießt die intensive Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Auch in der Schule ist das schüchterne Mädchen auf einmal ein Star. Doch mit keinem Wort stellt sie klar, dass es sich auf keinen Fall um einen sexuellen Übergriff handelt, sondern lässt die öffentliche Beschuldigung bewusst stehen, um weiter die Aufmerksamkeit zu genießen.
Ayelet Gundar-Goshen kennt sich als Psychologin mit der Psyche junger Menschen aus. Ihr Roman handelt von der Unsicherheit Heranwachsender und ihren Sehnsüchten. Ayelet tritt in ihrem Roman einen Gefühlssturm los, der enorm Fahrt aufnimmt und die Protagonistin anfangs wild durcheinander wirbelt. Durch Erfahrung und Reflexion entwickeln sich die jungen Menschen jedoch weiter und sind schließlich reif für verantwortliches Handeln. Der Roman „Lügnerin“ ist durchaus auch für Schüler der Oberstufen zu empfehlen.
Das Buch ist im Verlag Kein & Aber erschienen, umfasst 334 Seiten und kostet 24 Euro.
Barbara Raudszus
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