Kammerstücke über Beziehungsprobleme in vordergründig harmonischen Ehen zählen seit einiger Zeit zu den erfolgreichsten Theaterinszenierungen. Offensichtlich erkennt das Publikum in den satirisch ausgebreiteten Problembeziehungen die jeweiligen Nachbarn und lacht befreit auf, da man ja selbst nicht betroffen ist. Neben dem Urvater Edward Albee („Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“) und Yasmina Reza hat auch Woody Allen dieses Terrain bereits ausgiebig behandelt hat, und „Husbands and Wives“ ist die Theaterversion des gleichnamigen Films aus den 90er Jahren.
Gabe Roth (Matthias Redlhammer) ist Literaturprofessor – wie die Protagonisten des gleichnamigen Schriftstellers! – an der Columbia University in New York; seine etwas zerstreute Intellektualität und latente Alltagsuntauglichkeit zeichnen ihn als typisch Allenschen Protagonisten aus. Seine Frau Judy (Frederike Ott) ist auf den ersten Blick mitfühlend, ausgleichend und besorgt, kann jedoch ihren Mann in einem Gespräch mit emotionalen und irrationalen Mitteln in kürzester Zeit in die Rolle des Schuldigen treiben.
Jack und Sally sind das Gegenpaar zu diesem scheinbar glücklichen Ehepaars. Jack (Sebastian Kuschmann) ist ein draufgängerischer, fast schon forscher Typ, nicht intellektuell zu nennen, sondern eher ein pragmatischer Unternehmertyp. Sally ist ausgesprochen attraktiv und erinnert in dieser Inszenierung mit Anna Kubin an Marylin Monroe. Ihr Selbstbewusstsein grenzt bisweilen an Dominanz, erweist sich jedoch im Laufe des Stücks als Kompensationsstrategie einer desorientierten Psyche. Sie spielt mit ihrer Wirkung auf Männer, begegnet der Sexualität jedoch mit panischer Abwehr.
Die Handlung beginnt mit dem für diese Stücke offensichtlich obligatorischen gemeinsamen Abendessen, bei dem Jack und Sally ihren Freunden freundlich und sachlich mitteilen, dass sie sich in Freundschaft getrennt hätten. Damit lösen sie vor allem bei Judy Empörung aus, wohl weil sie bei ihr unterschwellig einen wunden Punkt angesprochen haben. Da sie selbst diesen Schritt nie wagen würde, dürfen ihn auch andere, vor allem die besten Freunde, nicht tun. Die weitere Handlung führt dann zu den üblichen Grabenkämpfen: trotz freundschaftlicher Trennung beschimpft Sally ihren Mann wegen dessen Affäre mit einer Fitness-Trainerin telefonisch ausgerechnet während eines eigenen Dates. Den Kontakt zu Michael hat ihr Judy vermittelt, die sich selbst in den gut aussehenden Kollegen verguckt hat, dies aber sich selbst nicht eingestehen will. Währenddessen nähert sich Gabe zögerlich und linkisch der jungen Studentin Rain (Christina Thiessen) an, die seine Romane und Erzählungen rückhaltlos bewundert. Während er in typisch „Rothscher“ Manier meint, durch aufgesetzte „Coolness“ der jungen Studentin zu gefallen, entpuppt diese sich im beiläufigen Gespräch als ausgesprochen versiert mit älteren „Sugar Daddies“, erteilt diesen „alten Männern“ aber gleichzeitig eine deutliche Absage, ohne zu ahnen, dass auch Gabe gerne diesen „Daddies“ gehören würde.
Natürlich platzt Jacks Beziehung zu der Fitness-Lehrerin (ebenfalls Christina Thiessen) wegen fehlender Gemeinsamkeiten, und auch Sally und Michael kommen wegen ihrer Exaltiertheit nicht zusammen. Stattdessen finden sich am Ende Jack und Sally wieder in einer Vernunftbeziehung, während Judy ihre stille Liebe Michael erobert und Gabe buchstäblich im Regen stehen lässt.
Das hört sich zwar ein wenig nach Boulevardtheater an, trägt jedoch im Gegensatz zu diesem Genre dank genauer psychologischer Analyse zwischengeschlechtlicher Beziehungen – speziell der Ehe -, treffsicherer Pointen sowie des Verzichts auf ein „Happy End“ deutlich konsequentere Züge. Woody Allen bringt in diesem Stück die unterschiedlichen Sichtweisen und Forderungen beider Geschlechter an eine Beziehung auf den Punkt. Dabei schont er keine der beiden Seiten. Die Frauen arbeiten bei ihm gezielt mit logischen Volten, emotionaler Erpressung und irrationalen Ausbrüchen, während die Männer sich durch egozentrische Ignoranz und einen speziellen männlichen Narzissmus auszeichnen. Sowohl Gabe als auch Jack wollen von den Frauen für ihre jeweiligen Fähigkeiten bewundert werden und vergessen dabei deren Bedürfnisse. Am Ende der Beziehungen steht dann meist ein Single-Dasein in tatsächlicher Isolierung oder innerhalb einer Vernunftbeziehung. Das Ende zeigt deutlich, dass Woody Allen kein oberflächlicher Boulevardautor sondern ein eher pessimistischer Menschenkenner ist.
Das Ensemble präsentiert diese bittere Komödie mit viel Tempo und Witz und bringt dabei die unterschwelligen psychologischen Abläufe überzeugend zum Ausdruck. Matthias Redlhammer ist ein zutiefst verletzlicher Gabe, der sich den Mantel des abgeklärten Intellektuellen nur umhängt um des gesellschaftlichen Status willen. In seiner Mimik und Gestik portraitiert er einen verunsicherten Mann, der seine Frau als Selbstverständlichkeit behandelt und die Bestätigung durch eine junge Studentin wie ein trockener Schwamm aufsaugt. Frederike Ott zeigt alle psychologischen Details einer ebenfalls verunsicherten Judy, die sich von ihrem Mann nicht mehr wahrgenommen fühlt und Bestätigung woanders sucht, dabei jedoch auf keinen Fall zur gesellschaftlichen Außenseiterin werden will. Statt zu hysterischen Eruptionen neigt sie zu gekränkten Rückzügen, die sie gekonnt als Druckmittel einsetzt. Anna Kubin hat mit Sally eine Paraderolle der Extrovertiertheit und nutzt diese auch weidlich aus. Es ist wohl auch als Regiegedanke zu verstehen, dass sie die Exaltiertheit und das Chaotische in Sallys Wesen bis zur Übertreibung ausreizt, Weingläser „ex“ austrinkt oder sie halb auf der Kleidung des Gegenübers verschüttet, ständig den Inhalt der Handtasche verliert und hektisch einsammelt und ansonsten die „femme fatale“ nach außen kehrt. Das gibt natürlich viele Anlässe zu kräftigen Lachern und ist gleichzeitig ein Gegengewicht zu der eher introvertierten Judy. Die Rolle des Jack ist dagegen eher eindimensional als forscher Pragmatiker ohne psychologischen oder intellektuellen Tiefgang angelegt, Sebastian Kuschmann füllt sie jedoch glaubwürdig aus. Benjamin Grüter spielt – neben anderen, kurzen Rollen – vor allem den gefühligen „Womanizer“ Michael als Tröster der (seelisch) verlassenen Frauen, und Christina meistert den schnellen Wechsel zwischen der schrillen Fitness-Trainerin Sam und der undurchsichtigen Schwärmerin Rain souverän.
Als besonderer Regieeinfall ist die Stimme des Erzählers aus dem „Off“ zu erwähnen. Die Protagonisten stehen ihm von Zeit zu Zeit Rede und Antwort zu ihrer Situation und wenden sich dabei an das Publikum, da die Stimme aus dem Rücken der Zuschauer zu kommen scheint. Das erhöht die unmittelbare Wirkung auf das Publikum, ohne dafür belehrende Monologe einsetzen zu müssen. Die Enge des Bühnenbilds mit einer angedeuteten weitläufigen Sitzgruppe und einigen farbigen Stellwänden im Hintergrund verstärkt diese Nähe zum Publikum noch. Die vier große Leuchtbuchstaben „LOVE“ mit schiefem „O“ dienen als unaufdringliche Metapher für das ganze Stück.
Das Publikum in den ausverkauften Kammerspielen war ausgesprochen angetan von dieser Inszenierung und bedankte sich durch lang anhaltenden Beifall.
Frank Raudszus
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