Die positiven Seiten dieser Neuinszenierung am Staatstheater Darmstadt zuerst: die Darsteller sind hoch motiviert und spielen all ihr Können aus, um dieser Inszenierung von George Feydeaus Komödie „Ein Klotz am Bein“ (Originaltitel „Un fil à la patte“), Tempo und Witz zu verleihen. Zum Teil gelingt ihnen das wegen ihres individuellen Könnens auch, doch jede Schauspielkunst stößt irgendwann einmal an die Grenzen der Textvorlage.
Die ist denkbar trivial: bankrotter Graf will sich zwecks Verheiratung mit einer jungen und reichen Adligen von seiner langjährigen Geliebten, einer Sängerin, trennen, findet jedoch wegen ihrer stürmischen Liebesbekundungen den richtigen Zeitpunkt nicht. Zu allem Überfluss engagiert die künftige Schwiegermutter ausgerechnet seine Geliebte als Künstlerin für das Hochzeitsfest. Die erste Hälfte der Aufführung widmet sich den diversen Verhinderungs- und Vertuschungsaktivitäten des Grafen, die zweite den Aufräumarbeiten nach der unvermeidlichen Katastrophe. Das Ganze kreist um erotische Situationen, die zu Feydeaus Zeiten noch schenkelklopfendes Lachen erzeugt hätten, heute jedoch nur noch müdes Achselzucken bewirken können. Tempora mutantur! Über die in diesem Stück vorgebrachten angeblichen Frivolitäten können selbst ältere Herren nicht mehr lachen, geschweige denn jüngere. Kostprobe: wenn die Schneiderin die junge, naive Braut bei der Anprobe des Hochzeitskleid mit den Nadeln piekst, ruft diese „Ach, ich bin so spitz“. Wie will man Witze dieser Art erfolgreich unters Volk bringen?
Feydeau ist bekannt für seine Gesellschaftskomödien, die treffsicher die Eitelkeiten, Schwächen und Intrigen der (französischen) Gesellschaft des „fin de siècle“ aufs Korn nehmen. Doch davon ist in dieser Komödie nur sehr wenig zu spüren. Hier geht es ausschließlich um die Irrwege der Erotik, jedoch auf dem Bewusstseinsstand des späten 19. Jahrhunderts. Da muss sich dann der Mundgeruch des Herrn de Fontanet (Mathias Znidarec) als „running gag“ durch nahezu die gesamte Aufführung ziehen, obwohl die erste Szene diesen vor Witz geradezu berstenden Gag bereits mehr als zu Genüge ausgereizt hat. Oder Jörg Zirnstein muss als die irre Karikatur eines lateinamerikanischen Generals wie ein wild gewordener Affe durch die Szenen toben. Ähnliches gilt für den biederen Chansonschreiber, dessen unterbelichtete Selbstüberschätzung ebenfalls über lange Szenen ausgewalzt wird. Und wenn sich dann kein neuer Einfall einstellen will, versteckt sich die Hauptperson halt im Schrank vor seiner Geliebten. Das geht natürlich im ungünstigsten Moment schief. Das alte Boulevardspiel „linke Tür zu, rechte Tür auf“ feiert hier fröhliche Urständ, als ob es in den letzten Jahrzehnten nicht von unzähligen einschlägigen Inszenierungen zu Tode geritten wäre. Doch die Regie hat hier nur wenige Möglichkeiten, originellen Witz in das Stück zu bringen, wenn sie nicht das Stück umschreiben will. Dann hätte man aber gleich ein anderes Stück auswählen können – und sollen. Dieses Stück liefert letztlich nur die Vorlage für platte Unterhaltung, die man nur mit einer gewissen Promillezahl im Blut belachen kann.
Vielleicht hätte es auch geholfen, das Stück radikal zu kürzen und ohne Pausen in eineinhalb Stunden über die Bühne zu jagen. So zieht es sich jedoch über fast drei Stunden, wobei jede Situation in die Länge gezogen wird, bis ihr schließlich jeder Witz ausgesogen worden ist. Da bei diesem Stück eine Situation meist innerhalb der ersten Sekunden (oder sogar schon vorher) klar ist, braucht man sie eigentlich nicht von allen Seiten zu beleuchten, um den – meist – schmalen Witz zu entfalten. Doch Regisseur Gustav Rueb und seine Darsteller ziehen alle Register, um der Inszenierung sowohl Länge als auch Tempo zu verleihen. Doch beides geht nicht, auch wenn Daniel Scholz als Graf d´Enghien und Christoph Bornmüller als Schreiber und Möchtegerndichter Bouzin sogar zu halsbrecherischen Turnübungen auf Möbeln und Treppe greifen: das Stück gibt nicht genug gute dramaturgische Einfälle her.
Um jedoch noch einmal zu dem positiven Beginn dieser Rezension zurückzukehren: Daniel Scholz gibt alles an Sprechtempo und Agilität, um der eindimensionalen Rolle des Grafen Kontur zu verleihen, und Christoph Bornmüller setzt sein bemerkenswertes darstellerisches Können ein, um Bouzin als verunglückten Menschen zu zeigen. Karin Klein verleiht der Sängerin Lucette durchaus dramatische wie emotionale Züge, und Garbriele Drechsel gibt eine so dünkelhafte wie pragmatische Baronin. Katharina Hintzen entlockt der naiven Braut nicht nur schlichte Lebensweisheiten, sondern findet auch die sparsam verteilten Bonmots und Mehrdeutigkeiten ihres Textes. Christian Klischat gibt Lucettes schmarotzenden Ex-Mann mit der vordergründigen Souveränität hochstapelnden Lebemanns.
Warum man jedoch die zwei weiblichen Rollen der – bereits erwähnten – Schneiderin und von Lucettes Schwester mit Männern besetzt hat (Matthias Znidarec und Christopoh Bornmüller), ist nicht ganz nachzuvollziehen. Sollten Besetzungsengpässe diese Maßnahme erzwungen haben – angesichts der kopfstarken Besetzungsliste durchaus eine Möglichkeit -, wäre nichts dagegen einzuwenden. Dramaturgische Gründe gibt es nicht, da es sich um reine Nebenrollen handelt. Bleibt der vermeintliche Witz von Männern in Frauenkleidern, der sich jedoch seit den Tagen von „Charleys Tante“ gründlich totgelaufen hat. Heute erntet ein vollbärtiger Mann in Frauenkleidern und anmutigen Bewegungen keine Lachsalven für diesen originellen Witz mehr. Wobei diese Kritik die schauspielerische Leistung der beiden in ihren Frauenrollen durchaus nicht mindern soll.
Ein Gradmesser für den Erfolg einer Komödie ist stets der „Lachlevel“ des Publikums, und der lag in dieser Aufführung weit im unteren Bereich. Viele der mit großem Aufwand zelebrierten Gags stießen auf ein stummes Publikum, das sich höchstens zu ein paar Glucksern hinreißen ließ. Hoffen wir also, dass man im Staatstheater bei der nächsten Komödie eine bessere Auswahl trifft. Es gibt genug solche Stücke mit viel Witz, der sich vor allem auch heute noch entfalten kann.
Frank Raudszus
Diese Beschreibung trifft den Nagel auf den Kopf!Wir haben noch nie eine dermaßen langweilige, lang gezogene so genannte Komödie gesehen.Ohne Inhalt,Platte Dialoge und ein ständiges hin und her rennen und lautes Türen klappern verbunden mit lautem Geschrei hat einfach nur genervt.
Schon nach 15 Minuten haben wir auf die Uhr gesehen,wollten zur Pause gehen,letztendlich dauerte es dann 1 3/4 Stunde bis wir endlich in der Pause erlöst worden.
Bewertung: einfach nur grottenschlecht