Ein unmögliches Paar

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Ein trauriger Witz zieht sich wie ein Leitmotiv durch diese ursprünglich für den österreichischen Dialekt geschriebene Tragikomödie von Josef Hader und Alfred Dorfer: zwei Brüder erhalten zu Weihnachten unterschiedlich viele Geschenke. Als der reich Beschenkte gegenüber seinem Bruder mit der offensichtlich größeren Liebe der Eltern protzt, erhält er die trockene Antwort: „Na ja, du hast ja auch Krebs“. Dieser makabre Witz spiegelt einerseits den ursprünglichen Volkswitz wider, der selbst die tragischsten Ereignisse noch in eine Art Galgenhumor verpackt, und verdichtet andererseits die Handlung dieses Zwei-Personen-Stücks.

V.l.n.r.: Christian Klischat (Bösel) und Florian Mania

Zwei Gastro-Kontrolleure ziehen durch die Städte und Dörfer der Region – hier Südhessen – und überprüfen die Einhaltung baulicher und hygienischer Vorschriften. Die beiden Kollegen – beide eher schlichter Natur und mit lokaler Mundart ausgestattet – könnten unterschiedlicher nicht sein. Fellner redet ununterbrochen, wechselt dabei ständig das Thema und käut angelesenes Wissen wieder. Im Grunde ist er ein armer Kerl, dessen Freundin fremdgeht und der keinen Halt im Leben findet. Er sucht ihn in einer Weltanschauung des (Besser)Wissens, geht damit jedoch seinen Mitmenschen auf die Nerven. So einer ist sein Kollege Bösel: ewig hungrig, maulfaul, Vorstadt-Macho mit einfachen Ansichten über das Leben. Zu Hause eine übergewichtige Frau, die ihn erotisch nach außerhalb treibt.

So ist denn während der Tour durch die Gasthöfe der Streit schon vorprogrammiert. Bösel kocht – bei Schnitzel und Bier – vor Wut über Fellners endlose Tiraden, es kommt zu Streitereien und Wutausbrüchen. Fellner zieht sich beleidigt zurück, nur um die erste Gelegenheit zum nächsten Vortrag zu nutzen. Die Reibereien enden in einem Besäufnis und anschließender Verbrüderung vor der Toilettentür.

Statisterie, Christian Klischat und Florian Mania

Bruch – Krankenhaus. Fellner liegt darnieder, man denkt an Alkoholvergiftung und weitere komödiantische Pointen. Doch weit gefehlt: Fellner leidet an Krebs im Endstadium. Jetzt drehen sich die Gespräche ins Verzweifelt-Burschikose. Bösel kommt stets mit Erdbeeren und reißt weiterhin eindeutige Witze, um einerseits Fellner abzulenken und andererseits die Tragik der Situation zu leugnen. Gerade die Betonung der Sexualität in einfach gestrickten Witzen und Redewendungen soll dem Einbruch der tristen Realität in diesen kleinen Männerbund einen Riegel vorschieben. Auch Fellner durchläuft alle Stadien, zuerst den Galgenhumor der Verzweiflung, der den bevorstehenden Tod als bloßen Wechsel des Zustands marginalisiert, dann den Wutanfall, dass es ihn und nicht den anderen getroffen hat – „warum gerade ich??“ lautet die altbekannte Frage in solchen Fällen -, und zuletzt das Dahindämmern. Am Ende sitzt Bösel am Boden zerstört neben dem Totenbett.

Florian Mania und Christian Klischat

Regisseur Mathias Znidarec – hauptberuflich Schauspieler im Darmstädter Ensemble – hat das Stück als Kammerstück mit pantomimischem Hintergrund  angelegt. Luisa Renz, Petra Schlesinger und Wolfgang Fichtner von der Statisterie spielen die diversen Gastronomie- und Klinik-Belegschaften als tänzerische Pantomime, liefern damit den Handlungshintergrund und rücken diesen gleichzeitig nach hinten. Denn hier geht es nicht um die Aufgaben der beiden Kontrolleure in den Gasthäusern, sondern ausschließlich um ihre Beziehung zueinander. Christian Klischat gibt den rauhbeinigen und immer zu einem schmutzigen Witz oder sexistischen Spruch aufgelegten Bösel, während sich Florian Mania sprachlich als so redefreudiger wie -gewandter Fellner austoben kann. Seine schmale, hoch aufgeschossene Figur und das vogelartige Gesicht mit der scharfen Nase prädestinieren ihn geradezu zu dieser Rolle des seine Unsicherheit durch Dauerreden kompensierenden Verlierers. Klischat dagegen gibt den bräsigen Chauvi mit überschaubarem Intellekt überzeugend, wobei ihm seine kräftige Statur durchaus von Nutzen ist. Auch den kurz geschorenen Schädel kann man mit entsprechendem schauspielerischen Können hervorragend als Markenzeichen des „Kleinstadt-Chauvis“ nutzen.

Die Bühne hat Bühnenbildnerin Silke Bauer durch eine durchgehende Wand zu Kammergröße verdichtet, wobei auf dieser Wand eine trostlose Landstraße im Odenwald mit leicht vergammelten Ortsschildern zu sehen ist. In der Wand erscheint dann je nach Bedarf der Tresen eines Gasthofs oder der Flur des Krankenhauses. Am Ende, wenn Christian Klischat alias Bösel deprimiert am Totenbett sitzt, gibt es dann noch eine Pointe, die den Ausgang des Stücks in etwas schöneren Farben malt.

Dem Publikum hat dieses nachdenkliche Kammerstück gut gefallen.

Frank Raudszus

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