Heißer Latin-Abend mit „Kubanischer Nacht“

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Die warmen Sommerabende im August – so es denn einmal nicht regnet – eignen sich hervorragend für einen Abend mit lateinamerikanischer Musik, vermitteln sie doch klimatisch einen Eindruck karibischer Atmosphäre. Am 4. August war der Wettergott dem Rheingau-Musik-Festival hold und stellte das passende Wetter zur Verfügung: Sommersonne und wenig Wind. Der vollständig ausgebuchte Konzerthof hinter dem Kurhaus war mit Stühlen bis zum Rand gefüllt und diese auch bis zum letzten besetzt.

Eliades Ochoa & Roberto Fonseca
(c) RMF /Ansgar Klostermann

Zwei aktuelle Größen der kubanischen Musikszene hatte man für diesen Abend gewinnen können: Roberto Fonseca ist ein begnadeter Jazz-Pianist und zeigte seine Kunst zusammen mit einer kopfstarken Band: neben ihm zwei Saxophone, eine Trompete, Gesang (er selbst und Abrahan Aristide), Bass, Schlagzeug und Percussion. Es war also alles da, was man für Latin Jazz benötigt, und Fonseca zeigte von Beginn an, dass er in seinem Programm „ACUB“ (?) keine eingängige Volksmusik sondern anspruchsvollen Jazz zu präsentieren gedachte. Gleich das überfallartig einsetzende Begrüßungsstück kam als klassischer Latin Jazz im Stil Antonio Carlos Jobims daher und glänzte mit diversen Instrumenten-Soli. Das zweite Stück – „Family“ übertitelt und „dedicated to you all guys“, begann mit einem Keyboard-Solo von Roberto Fonseca, dann mussten die Zuhörer rhythmisch zum Schlagzeug klatschen. Anschließend drehten die drei Bläser richtig auf und lieferten ein Paradebeispiel für modernen Latin Jazz ab, bei dem Rhythmus alles ist. Aber auch die leisen, nachdenklichen Töne beherrschen Roberto Fonseca und seine Band perfekt. Im dritten Stück trug Roberto Fonseca zuerst fast schon elegische Abwärtsfiguren auf dem Keyboard vor, die er dann langsam zu akkordischen Kombinationen und anschließend zu einem ausgedehnten Solo weiterentwickelte. Die Virtuosität erinnerte fast an klassische Klavierstücke und zeigte deutlich Fonsecas Interesse an der klassischen Klaviermusik. Nur der Bass und  das Schlagzeug begleiteten dezent diesen pianistischen Ausflug in ein Grenzgebiet zwischen Latin Jazz und klassischer Themenverarbeitung. Danach wechselte Fonseca wieder mit der gesamten Band zu rhythmischem Latin-Jazz, der geradezu zum Tanzen animierte. Doch daran dachte in diesem ersten Teil noch niemand.

Danach verneigte sich der noch Junge Fonseca (Jahrgang 1975) vor seinem älteren Kollegen Eliades Ochoa (1946!), der schon vor zwanzig Jahren im „Buena Vista Social Club“ spielte, und band ihn in die nächste Nummer ein. Ochoa präsentierte eine intensive, langsame Rumba in der unnachahmlichen Art des „Buena Vista Social Club“, aber mit der ausgesprochen akzentuierten Begleitung der Fonseca-Band. Als markanter Merengue – in etwa eine schnelle Rumba – kam das Stück „Vida la luna“ daher. Das eher traditionelle, mehrstrophige Lied war zwar weitgehend ausarrangiert, beeindruckte jedoch durch seinen ausgeprägten Rhythmus. Dagegen interpretiert Roberto Fonsecas das bekannte „Besame Mucho“ auf völlig neue Art: erst umspielte der Bassist allein das Thema auf ziemlich freie, fast introvertierte Weise, dann legte Fonseca ein sparsames, aber gehaltvolles Piano-Solo darüber, und das Schlagzeug fügte verhaltene, nie aufdringliche Kommentare hinzu. Der anschließende „Afro Mambo“ war eher zur Belebung des Publikums und – erfolgreichen! – Aufforderung zum Mittanzen gedacht, und Abrahan Aristide beendete den ersten Teil mit einer temperamentvollen Vokalstück, bei dem Piano, Bläser und Schlagzeug kräftig assistierten. Nach nahezu eineinhalb Stunden beendete Roberto Fonseca ein so anspruchsvolles wie variantenreiches Programm, das alle Facetten des Latin Jazz zum Vorschein brachte.

Roberto Fonseca (l.) und Eliades Ochoa Hand in Hand

Den zweiten Teil bestritt Eliades Ochoa mit seinem legendären „Cuarteto Patria“, das mit ihm aus fünf(!) Musikern besteht (piano, bass, guitar & vocal, percussion, maraca). Hier kamen jetzt eher die süffigen Lieder aus dem „Bueno Vista Social Club“ zu Gehör, immer mit Eliades Ochoa im Mittelpunkt als Gitarrenspieler und Sänger. Der Wiedererkennungseffekt brach immer wieder durch, denn Ochoa spielte durchaus bekannte Stücke aus dem Repertoire der sagenumwobenen „Altmänner-Riege“. Das war zwar nicht unbedingt so anspruchsvoll wie Fonsecas Latin-Jazz , dafür aber eingängig und professionell interpretiert. Das angeborene rhythmische Gespür der fünf Musiker sowie der elegisch-heitere Grundtenor der Lieder konnte nicht spurlos an dem Publikum vorübergehen. Anfangs standen nur wenige mit sparsam zuckenden Armen und Beinen am Rande der Bühne, doch mit zunehmender Spieldauer und bekannt-eingängigen Liedern drängten sich immer mehr Besucher auf dem freien Platz zwischen Bühne und den ersten Zuschauerreihen und nutzten diesen als Tanzbühne. Die Stimmung im Park war jedoch durch die lebenspralle Musik derart gut, dass sich kein Zuschauer über die Tänzer beschwerte. Im Zweifelsfall stand man in den vorderen Reihen einfach auf und tanzte mit. Eliades Ochoa selbst verband seine Stücke mit humorvollen Zwischentexten, allerdings ganz naiv in einem kubanischen Spanisch, das die meisten wohl nur bruchstückhaft verstanden. Doch alle fühlten und verstanden, was er über die einzelnen Stücke sagte, ohne seine Worte im EInzelnen zu verstehen. Man merkte diesem Musiker an, dass er mit seiner Musik eins war und buchstäblich in ihr lebte. Er verkörperte die Texte der Lieder, die sich meist um Alltagsleid und -freud der einfachen Leute drehen, ganz persönlich in seinem Gesang und seinem Gitarrespiel. Der Abend endete buchstäblich in einer großen musikalischen Verbrüderung von Musikern und Zuhörern. Ein rundherum gelungenes Konzert!

Frank Raudszus

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