Charles Foster: „Der Geschmack von Laub und Erde“

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Charles Foster, Jahrgang 1962, hat sich schon als Kind brennend für das Leben der Tiere interessiert und wollte unbedingt erfahren, was zum Beispiel eine Amsel empfindet und was sie denkt – wenn man diesen Begriff anwenden kann. Das hat ihn später zum Studium der Veterinärmedizin und des Rechtswesens an der Universität von Cambridge geführt. Heute arbeitet er als Veterinärmediziner und Rechtsanwalt.

Sein unstillbares Verlangen, die Gefühls- und Lebenswelt der Tiere „hautnah“ kennenzulernen, hat ihn schließlich zu einer Reihe außergewöhnlicher wenn nicht gar skurriler Selbstversuche geführt. In dem vorliegenden Buch ist es ihm jedoch ein Anliegen, seine frühere Tätigkeit als begeisterter Jäger – das heißt als „Tiermörder“ – zu beichten. Heute ist er überzeugter Vegetarier und Gegner der Jagd als Hobby, gesteht aber ein, dass sein früheres Jagd-Hobby ihm große Erfahrungen in der Welt der Tiere eingebracht hat.

Nachdem die Neurowissenschaften und eine Reihe anderer wissenschaftlicher Näherungsversuche ihm nicht den ersehnten Einblick „auf Augenhöhe“ in das Wesen der Tiere gebracht hatte, entschied er sich, eine Zeitlang wie die Tiere zu leben. Dafür suchte er sich fünf Tiere aus: den Dachs, die Otter, den Fuchs, den Rothirsch und den Mauersegler.

Um das Leben des Dachses zu erforschen, baute er – zusammen mit seinem Sohn – einen Bau im Erdreich und lebte dort wie ein Dachs. Die beiden konnten zwar nicht von der Dachsnahrung leben (ein Freund brachte die unbedingt erforderlichen Lebensmittel vorbei), aßen jedoch Regenwürmer und andere verträgliche Nahrung, die auch der Dachs zu sich nimmt. Ansonsten bewegten sie sich auf allen Vieren durch das Unterholz, um die Perspektive des Dachses und dessen Geruchswelt kennenzulernen.

Um die Fischotter kennenzulernen, schlüpfte Foster in einen Neoprenanzug und schwamm durch die Flüsse von Devon, baute sich einen Unterschlupf wie die Otter und versuchte, wie diese Fische mit der Hand zu fangen. Er lernte die unterschiedlichen Arten des Wassers und der Wasserflora kennen und bemühte sich, sich soweit möglich wie die Otter zu ernähren. Dabei musste er immer wieder die Beschränkung des menschlichen Sensoriums gegenüber dem der Tiere erkennen und akzeptieren. Bei dem Dachs ist es der überlegene Geruchssinn, bei der Otter die Fähigkeit, mit dem und im Wasser zu leben.

Der Fuchs war ihm vor allem deswegen wichtig, weil er dieses Tier schon in seiner Kindheit als Stadttier kennengelernt hatte. Die Füchse haben eine besondere Fähigkeit, sich in der urbanen Welt der Menschen zurechtzufinden und sie für sich zu nutzen. Wie der Stadtfuchs zog auch Foster durch die Vorstädte und untersuchte die Mülltonnen auf Essbares. Dabei war er sich nicht zu schade, wie der Fuchs Pizzareste aus der Mülltonne zu essen, und bekam des Öfteren auch mit der Polizei und den Behörden Schwierigkeiten. Keiner glaubte ihm, dass er aus wissenschaftlicher Neugier nächtens in Mülleimern wühlte und unter Sträuchern schlief.

Das Leben als Rothirsch kostete ihn fast das Leben, weil er im Winter den Herden auf eine verschneite Hochebene folgten, wo diesen der Hungertod drohte. Dabei geriet er selbst in einen Schneesturm, verlor die Orientierung und wäre fast den Erfrierungstod gestorben.

Sein letzter und skurrilster Selbstversuch galt dem Mauersegler, der jährlich unvorstellbar viele Flugkilometer in allen Höhenlagen zurücklegt und dabei zwischen England und dem Kongo hin- und herpendelt. Skurril ist dieser Versuch deshalb, da es einem ausgewachsenen Menschen – anders als beim Dachs, der Otter oder dem Fuchs – beim besten Willen nicht gelingen kann, sich so fortzubewegen wie der Mauersegler. Glücklicherweise hat Foster das auch nicht versucht, sonst wäre er wahrscheinlich so geendet wie Otto Lilienthal. Doch Spaß beiseite: natürlich war sich Foster dessen bewusst, und so folgte er der jährlichen Afrika-Route der Mauersegler bis in den Kongo auf menschlichen Verkehrswegen, wobei er jedoch versuchte, diesen eleganten Flugwesen so dicht wie möglich auf den Fersen zu bleiben.

Auch wenn das Thema anfangs etwas seltsam anmutet, fasziniert der Bericht über diese Selbstversuche, und man lernt als Zuhörer viel über die verschiedenen Tiere. Man lernt sie als Lebewesen mit Bedürfnissen kennen und durchleidet ihre tägliche, existenzielle Angst – wie etwa bei der Otter -, nicht die erforderliche Nahrung zu finden. Der Sprecher Wanja Mues hat sich dermaßen in die Tierwelt des Charles Foster vertieft, dass er beim Lesen buchstäblich in dessen Rolle schlüpft. So wie Charles Foster sich buchstäblich in die Rolle der Tiere versetzt, tut dies Wanja Mues mit Charles Foster. Die Identifikation ist so stark, dass man wirklich glaubt, dem englischen Tierfreund zuzuhören.

Das Hörbuch „Der Geschmack von Laub und Erde“ ist im Audio-Verlag erschienen, umfasst 5 CDs mit einer Gesamtlaufzeit von knapp sechs Stunden und kostet 19,99 Euro.

Frank Raudszus

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