Der Kampf der Geschlechter – wir gehen derzeit von zwei Varianten aus – über die Deutungshoheit und Vorherrschaft im getrennten oder gemeinsamen Leben wogt seit Anbeginn der bewussten Menschheitsgeschichte. Die biblische Geschichte von Adam und Eva legt darüber ein beredtes Zeugnis ab. Folgerichtig haben sich auch die Künstler im Laufe der Jahrhunderte Gedanken zu diesem Thema gemacht und es in vielerlei Schattierungen verarbeitet. Das Frankfurter Städel-Museum hat diesem Thema jetzt eine eigene Ausstellung mit dem Titel „Geschlechterkampf. Von Franz von Stuck bis Frida Kahlo“ gewidmet, die aus Gründen des Platzes und einer vernünftigen Einschränkung nur den Zeitraum von den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges betrachtet. Eine Einbeziehung früherer Epochen – so sie hätte repräsentativ sein wollen – hätte jeden realistischen Rahmen gesprengt, und die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hat dem Thema bereits ausreichend Zeit und Druckerschwärze gewidmet.
Da im 19. Jahrhundert die Bibel und andere mythische Quellen für die darstellende Kunst noch eine große Rolle spielten, stellte die Vertreibung aus dem Paradies mit dem mythischen Hintergrund von Schlange, Frau und Apfel eine zentralen Angriffspunkt dar. Hier konnten die – fast durchweg männlichen – Maler ihrer tief sitzenden Angst vor der Selbstbestimmung und einer befreiten Sexualität der Frauen Ausdruck verleihen. Die Ausstellung platziert diese Bilder gleich im ersten Raum als Blickfang. Hier hängen vor allem die Werke von Franz von Stuck, der noch zu der Generation der akademisch ausgebildeten Künstler des späten 19. Jahrhunderts gehörte und in München bis weit in die zwanziger Jahre eine wichtige Position bekleidete. Doch während während und vor allem nach dem Ersten Weltkrieg der Expressionismus das Kunstgeschehen prägte, blieb Franz von Stuck seinem symbolistischen – und oftmals schwül-erotischen – Stil treu. Seine Darstellung von „Adam und Eva“ ist typisch für den – aus Angst geborenen – latenten Frauenhass, ist doch Eva eins mit der Schlange und schaut den tugendhaften – fast biederen – Adam verführerisch an. Ähnliche Bilder aus dieser Zeit findet man von Max Liebermann (Samson und Delila), Lovis Corinth (Salomé II) oder Jean Benner (Salomé). Jedes dieser Bilder zeigt die Frauen nicht nur als stark sondern auch und vor allem als gefährlich für den Mann (und seine angeborene Tugend). Geradezu archetypisch für diese Frauensicht ist Gustav Adolf Mossas Bild „Sie“, das eine voluptuöse Kindfrau mit waffenstarrender Halskette auf einem Berg von Männerleichen zeigt.
Dagegen entwickeln die späteren Bilder zu diesem Thema, etwa Max Ernsts „Einkleidung der Braut“ oder Frida Kahlos „Kleine Hirschkuh“, ironische bis satirisch-beißende Züge und arbeiten den Objekt- und Opferstatus der Frauen heraus. Die Hirschkuh mit Frauenkopf ist von Pfeilen durchbohrt wie der Heilige Sebastian, und Max Ernsts auf ihre Geschlechtsmerkmale reduzierte Braut ist von männlichen Monstern (Tiere!) mit Speeren (Phallussymbol) und körperlichen Abstrusitäten umgeben. Andere Bilder rücken die Verkindlichung und Stereotypisierung der Frau in den Vordergrund (Hanna Höch „Die Braut“) oder betonen die aggressive Vermännlichung und Verhärtung der Frau durch den Ersten Weltkrieg und die chaotische Zeit danach wie Pyke Kochs „Schießstand“.
Auch der Film kommt in dieser Ausstellung zu seinem Recht. Der Klassiker „King Kong“ konfrontiert die (schwache) Frau mit der animalischen Männlichkeit des Monsters und bringt damit, nur notdürftig kaschiert durch die offenkundige Fiktionalität der Handlung, männliche Stereotype, Omnipotenzträume und Ängste zum Ausdruck. Ein anderer Stummfilm kontrastiert das jovial-machohafte Gehabe eines Mannes mit der anfangs mädchenhaften Scham und dann einer tiefen Verachtung einer von ihm abhängigen Frau.
Die Ausstellung zeigt 150 Exponate aus knapp einhundert Jahren in jeweils einzelnen oder eng miteinander verzahnten Künstlern gewidmeten Räumen. Edvard Munch ist ebenso vertreten wie Aubrey Beardsley oder die Berlinerin Jeanne Mammen. Dann wieder stehen Themengruppen wie „Lustmord und Prostitution“ die das Androgyne im Mittelpunkt. Die verschiedenen Künstler gewinnen dem Geschlechterkampf immer wieder andere und neue Aspekte ab, die man selten in einer solchen Dichte und Präsenz wahrgenommen hat. Der Besuch dieser Ausstellung ist ebenso informativ wie unterhaltend und eröffnet einen intensiven Blick auf ein elementares gesellschaftliches Thema.
Die Ausstellung ist bis zum 19. März 2017 geöffnet. Einzelheiten sind auf der Webseite des Städelmuseums zu erfahren.
Frank Raudszus
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