„Fräulein Jazz“ reißt die Besucher beim Rheingau-Musik-Festival im Weingut Diefenhardt nicht von den Sitzen.
Normalerweise ist das ein Erfolgsrezept: Ein lauer Sommerabend in einem Rheingauer Weingut, gutes Essen, trockene oder fruchtige Weine und eine kleine Musikgruppe, deren mal temperamentvolles, mal witziges Programm den Besuchern gehörig einheizt und für Stimmung sorgt.
Doch diese Kombination funktioniert nicht immer wie gewünscht. Am Wetter und am Weingut lag es an diesem Abend nicht, dass keine rechte Stimmung aufkam. Auch Essen und Trinken gaben keinen Anlass zur Klage. Doch das musikalische Programm erfüllte nicht die Erwartungen, die das Programmheft geweckt hatte. „Fräulein Jazz“ besteht normalerweise aus zwei Damen – Gesang und Kontrabass -, die das Publikum in einem humoristischen Rahmen mit Jazz-Versionen mehr oder weniger bekannter Melodien unterhalten. Zwar sprang an diesem Abend aufgrund einer Schwangerschaft ein Mann für die „Bass-Dame“ ein, doch das minderte den Effekt nicht sondern sorgte – zumindest anfangs – wegen der Verkleidung als Frau noch für einen gewissen Witz.
Der humoristische Rahmen dieses Programms ist im wahrsten Sinne des Wortes deprimierend, denn die Bassistin tritt als graue Maus mit Depressionsschüben und Weltschmerz auf, was sich in Leichenbittermiene und der Verweigerung jeglichen Lächelns ausdrückt. Das kann durchaus als Ausgangsbasis für ein Feuerwerk an geistreichen Witzen und überraschenden Pointen dienen, wenn man es damit nicht überzieht. Doch Sarah Lipfert, die als Künstlerin „Claudette“ durch das Programm führt und ihre liebe Not mit ihrer Kollegin hat, verfügt nur über eine dünnes Repertoire humoristischer Einfälle und walzt daher die wenigen Ideen bis zur Erschöpfung auch des letzten Witzpotentials aus. Die Pointen nahen langsam und mit Ankündigung, und zu vieles kommt aus dem „Kleinen Ratgeber für Alleinunterhalter“ und daher vom Typus her bekannt vor. Natürlich schlachtet sie die mentale Schwäche der Bassistin gnadenlos aus, versteckt hinter scheinbarem Mitleid und ironischer dargebrachter „Achtsamkeit“, aber – ganz abgesehen von dem nicht gerade zum Lachen anregenden Thema „Depression“ – zündet dabei wahrlich kein Feuerwerk sondern bläst nur halbherzig in eine schwache Humorglut. Zwar nimmt die Handlung nach der Pause eine überraschende Wendung, und es kommt ein wenig Dynamik ins Spiel, aber auch das reicht letztlich nicht, diesem Abend Esprit und Tempo zu verleihen.
Eine entsprechende musikalische Darbietung könnte dieses Manko vielleicht ausgleichen, doch auch da bieten Sarah Lipfert und Matthias Debus am Bass nichts Außergewöhnliches.
Sarah Lipfert verfügt über eine ordentliche Stimme, allerdings ohne besonderes Volumen oder beeindruckende Strahlkraft. Sie hat durchaus Gespür für die Jazz-Musik und beherrscht auch die Improvisation über bekannte Melodien, aber ihr darstellerisches Temperament und der für eine erfolgreiche Show erforderliche Mut zum Risiko halten sich in Grenzen. In einem Duo aus Gesang und Stimme ist es besonders schwer, ein musikalisches Feuer zu entfachen, denn hier hängt alles am Gesang. Der Bassist kann neben der Begleitung vielleicht noch ein oder zwei Soli sowie einige humoristische Einlagen beisteuern, aber damit hat es sich schon. Zusätzliche Instrumente wie Klavier oder Saxophon könnten den klanglichen und rhythmischen Raum noch ausweiten, sind hier aber nicht verfügbar.
Dabei war es eigentlich gut gedacht. Neben Eigenkompositionen – vorzugsweise über Männer und Frauen – kamen bekannte Stücke wie „Let´s do it. Let´s fall in love“, „Mein kleiner grüner Kaktus“ oder „Ham se nich, ham se nich, ham se nich´n Mann für mich“ in eigenen Jazz-Versionen zu Gehör. Doch dabei gewannen sie nicht an Schärfe und neuem Klang, sondern vor allem die letzten beiden Lieder aus der Zwischenkriegszeit verloren vor allem an Temperament und klangen trotz anderer Harmonik eher bieder. Statt Begeisterung weckten sie höchstens Schmunzeln.
Auch der Versuch, das Publikum einzubeziehen, wirkte zwar nicht gerade peinlich aber wegen schwacher Pointen doch irgendwie fehl am Platze. So zog sich der Abend bei nettem Gesang und einigen Längen dahin, wobei die Besucher sich zumindest an Speisen und Getränken labten. Und trotz der etwas flauen Vorstellung gab es doch einiges zu lachen, wobei allerdings diesen Lachen wegen des tragikomischen Hintergrunds bisweilen im Halse stecken blieb.
Frank Raudszus
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