Das 8. Kammerkonzert des Staatstheaters Darmstadt brachte einen Liederabend mit Liedern von Schumann, Brahms und Ullmann.
Liederabende sind eine spezielle musikalische Angelegenheit und locken nicht ebenso viele Interessenten ins Theater wie Sinfoniekonzerte oder Auftritte bekannter Instrumentalsolisten. Das konnte man an diesem 12. Mai im Kleinen Haus deutlich erkennen, denn es war nur mäßig besucht. Eigentlich schade, denn die beiden Künstler auf der Bühne hätten ein größeres Publikum verdient. Die international renommierte Sopranistin Christina Landshamer und ihr ebenso bekannter Klavierbegleiter Gerold Huber servierten an diesem Abend ein mit Bedacht zusammengestelltes Liedprogramm, in dem es hauptsächlich um Liebe ging.
Eine gewisse – beabsichtigte? – Pikanterie kann man dem Programm nicht absprechen, denn Johannes Brahms war bekanntlich unsterblich in Clara Schumann verliebt, traute sich aber selbst nach Schumanns frühem Tod 1856 nicht, seine Absichten konkret zu formulieren. Lieber schickte er Clara von Zeit zu Zeit seine neuesten Kompositionen. Die Lieder, die an diesem Abend von ihm zu hören waren, handelten zwar vom Liebesleid junger Mädchen, aber man kann sich vorstellen, dass sich Brahms in manchen von ihnen wiederfand.
Die einleitenden Schumann-Lieder nach Gedichten von L´Égru, von der Neun, Goethe und Rückert schwärmen noch von der Liebe und lassen erst zum Schluss in der Vertonung von Goethes Gedicht „Dir zu eröffnen…“ aus dem „West-östlichen Diwan“den Schmerz durchschimmern. Danach folgte der erste Einschub von drei portugiesischen, von Rainer-Maria Rilke übersetzten Sonetten des Komponisten Viktor Ullmann, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde. Diese Sonette bringen das Unsichere, Vergängliche der Liebe zum Ausdruck. Nur im dritten spürt man so etwas wie Vertrauen und Glück, während die anderen beiden den drohenden oder bereits erfolgten Verlust der Liebe beklagen. Der Kontrast zu den Schumann-Liedern zeigt sich nicht nur in der deutlich moderneren Tonalität, sondern auch in der Expressivität, die sich dem Leiden an der Liebe widmet.
Schumanns zweite Liedgruppe im ersten Teil des Abends bestand ausschließlich aus Vertonungen von Goethe-Gedichten. Die bekanntesten Gedichte „Nur wer die Sehnsucht kennt…“ und „Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn…“ durften natürlich nicht fehlen. Bis auf „Mignon“ handeln alle von Liebe und Tod, die in der Literatur oftmals eine traurige Allianz eingehen. Unerfüllte Liebe, Verzicht und frühes Verblühen stehen hier im Mittelpunkt.
Christina Landshamer zeigte bereits in diesem ersten Teil ihr Können, das sich auf eine helle und klare Stimme stützt, die auch in den hohen Lagen ihre natürliches Timbre behält. Man merkt ihr die Opernkarriere deutlich an, muss sie sich stimmlich doch nicht aufs lyrische Fach beschränken. Was Opernbühnen stimmlich füllt, bewährt sich auch im Liedvortrag.
Gerold Huber nutzte die Tatsache, dass der Pianist Schumann dem Klavierpart eine Rolle weit über das reine Begleiten eingeräumt hat, für einen akzentuierten, jedoch nie dominanten Vortrag. Er musizierte auf Augenhöhe mit der Sängerin und gestaltete den pianistischen Teil als eigenständige Interpretation, ohne damit allerdings das Gleichgewicht zu verschieben oder der Klavierstimme eine vom Grundtenor des jeweiligen Liedes abweichende Interpretation zu verleihen.
Der zweite Teil begann mit vier Brahms-Liedern, die sich alle um vergebliche, heimliche oder verschmähte Liebe junger Mädchen drehen. Man ahnt, wie schwer es die Frauen damals hatten, die auf einen Bewerber warten mussten und sich während dieser Wartezeiten mit einfachen Hausarbeiten die Zeit vertreiben mussten. Die Angst vor einem Leben als „alte Jungfer“ saß stets am Spinnrad mit dabei, und Brahms´ Lieder bringen dies auf berührende Weise zum Ausdruck.
Danach folgten sechs Sonette von Viktor Ullmann nach Texten der Französin Louïse Labé, in denen es ebenfalls um unglückliche Liebe und den Tod geht. Ullmann hat diesen buchstäblich nach Liebe schreienden Gedichten eine unvergleichliche Expressivität verliehen und damit der Sehnsucht nach dem Unbedingten, dem Alltag Entrinnenden zu einem Sprachrohr verholfen. In diesen geradezu verzweifelten Liedern kann man die Situation der Frau im frühen 17. Jahrhundert nachvollziehen, der man außer Kinder, Kirche und Küche kein eigenes Gefühls- oder gar Sexualleben gestattete. Christina Landshamer verlieh diesen Liedern eine aus dem tiefen Inneren kommende Dramatik, die sich mal leise aber drängend, mal laut und rebellierend Bahn brach. Gerold Huber lieferte dazu am Klavier eine pointierte Begleitung.
Den Schluss dieses Konzerts bildeten vier weitere Brahms-Lieder, deren Titel allein schon Programm sind – „Sehnsucht“, „Klage II“, „Des Liebsten Schwur“ und „Mädchenfluch“ – und in denen sich die ganze Verzweiflung an der Liebe und der Treulosigkeit der Männer scheiternder junger Frauen widerspiegelt. Auch diese von musikalischen Spannungen durchzogenen Lieder präsentierten Christina Landshamer und Gerold Huber mit viel Einfühlung in den emotionalen Hintergrund, wobei Gerold Huber dem hellen Sopran seiner Partnerin immer wieder markante Klavierfiguren zur Seite stellte.
Das Publikum zollte kräftigen Beifall und spendierte auch einige „Bravo“-Rufe. Der Beifall hielt so lange an, bis sich das Musiker-Duo bereit erklärte, noch eine Zugabe zu präsentieren, deren Titel sie leider nicht ankündigten. Nur ausgemachte Kenner des Kunstlieds konnten daher den Komponist dieses Liedes identifizieren. Der Rezensent gehört nicht zu dieser Kategorie.
Frank Raudszus
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