U-434: Noch bis 2002 im Einsatz der russischen Marine, liegt es nun im Hamburger Hafen
Der stählerne Koloss mit einer Länge von knapp über 90 Metern und einem Gewicht von 3.630 Tonnen liegt ruhig im Hamburger Hafenbecken. Angelockt vom fernen Anblick, meint man zuerst, es handele sich vielleicht um ein U-Boot der deutschen Wehrmacht aus dem zweiten Weltkrieg. Dass der Einsatz dieses Unterwasserfahrzeuges aber deutlich näher – quasi noch in greifbarer Vergangenheit – liegt, erscheint auf den ersten Blick verwirrend. Nun haben wir also das große Glück, ein russisches Spionage-U-Boot zu besichtigen, welches nach seiner Außerdienststellung kurz vor 2002 für eine Millionen Euro gekauft, nach Hamburg überführt und dort installiert wurde.
Noch ein paar spannende Fakten vorab: Das Boot konnte bis zu 400 Meter tief tauchen, ab 600 Meter wäre es dann aber der Zerstörung sicher gewesen. Angetrieben wird das konventionelle Boot – also nicht Atomkraft – wahlweise von drei Dieselmotoren mit je ca. 1.700 PS oder drei minimal stärkeren Elektromotoren, mit denen das Boot seine Unterwassermaximalgeschwindigkeit von 16 Knoten erreichen konnte. Für den Fall der Sichtung durch den Feind steht noch ein Schleichmotor zur Verfügung, der bei absoluter Geräuschlosigkeit eine Geschwindigkeit von einem Knoten zulässt. Dies dient also quasi nur der Stabilisierung des Bootes unter Wasser. Trotz der Tatsache, dass es sich um ein Spionage-U-Boot handelt, war eine Bewaffnung mit 24 Torpedos vorrätig. Die übliche Besatzung war mit 84 Mann komplettiert, wovon jeweils 16 Offiziere und Unteroffiziere waren und bis zu 52 Matrosen.
Wir besteigen das U-Boot über die Frontluke und landen im ersten Schottenbereich, dem Torpedoraum. Hier sollen 16 Matrosen ihren Dienst getan haben, wobei sie sich in dauerhaftem Schichtbetrieb in Gruppen von 8 Personen abwechseln konnten. Hängematten vermisst man jedoch vergeblich. Wie es heißt, sei dazu schlicht kein Platz gewesen und die nicht arbeitenden Matrosen hätten auf den gelagerten Torpedos geschlafen. Decken waren nicht notwendig, denn die übliche Durchschnittstemperatur soll bei 40 °C gelegen haben, verursacht durch die drei Dieselmotoren als meist genutzte Antriebsquelle. Wenn man dann bedenkt, dass die maximale Tauchzeit bei 3,5 Tagen lag, bevor die Luft verbraucht war, bekommt man schon einen Schreck. Allerdings sprechen wir hier wirklich von batteriebetriebenem Fahren. Für gewöhnlich fuhr man auch mit den Dieselmotoren unter Wasser, wobei nur der Schnorchel für Frischluft und Abgase durch die Atlantikoberfläche schauen durfte. Unter Dieselbetrieb konnte das U-Boot bei sparsamer Fahrt einige wenige Monate im Einsatz verbleiben – und das eben durchgängig ohne einmal Sonnenlicht zu sehen.
Mit professionellem U-Boot-Besatzungsschwung gleiten wir durch die kreisrunde Luke ins nächste Abteil. Wir befinden uns nun im Offiziersbereich. Nur erster und zweiter Offizier haben eine eigene Kajüte, und alle Offiziere zusammen teilen sich die zweite Toilette an Bord. Demzufolge alle anderen Besatzungsmitglieder sich die andere Toilette teilen mussten. Umso häufiger, so kann man sich vorstellen, wurde die Bilge – Sammlung des Brackwassers und von Ölresten im Schiffsrumpf – zur Blasenentlastung genutzt. Angeblich soll es aber nur einen Liter Trinkwasser pro Person und Tag gegeben haben. So war der Blasendruck dann folglich wohl doch nicht all zu groß. Das Offizierscasino, der Ess- und Planungstisch, fällt durch seine immense Beleuchtung auf. Wir lernen, dass dies gleichzeitig noch der OP war, falls es zu entsprechenden Vorfällen kam.
Die nächste Schottenluke führt uns in die Kommandozentrale unterhalb des Turms. Wir blicken auf eine Fülle von Anzeigen und hunderte von Schaltern. Gefühlt sind wir hier in den 30er Jahren, denn Bildschirme und Computer vermisst man gänzlich. Der Platz des Steuermanns erinnert ein wenig an den Kapitänsplatz in einer Boeing, nur mit Tiefen- statt Höhenmesser. Die Frage nach dem Ausblick erübrigt sich eigentlich, wird aber dennoch gestellt. Unter Wasser ist es üblicherweise nur schwarz und Fenster würden die maximale Tauchtiefe beeinträchtigen – über Wasser konnte bei Bedarf natürlich das Periskop ausgefahren werden. Sonst hieß es aber instrumentengesteuertes Fortkommen – maßgeblich auf harter Physik basierend und damit weitestgehend „einfach“ und einsatzstabil. Der Torpedoleitstand wurde leider entfernt.
Wir schwingen uns ein weiteres Mal durch einen Schott und landen nun in die Unteroffiziersmesse. Alles wieder ein sehr wenig viel kuscheliger hier. Trotzdem stellten die 6 Kojen auf 5 Kubikmeter offensichtlich den absoluten Luxus dar. Während Matrosen üblicherweise 1-2 Jahre an Bord blieben, war das bei den Offizierslaufbahnen noch deutlich länger. Es soll dabei doppelten Sold gegenüber anderen Militärbereichen gegeben haben, sowie kostenlose Unterbringung und Verpflegung von Frau und Kindern während des Einsatzes. Dennoch fragt man sich, wie viel Mensch nach einem mehrjährigen Einsatz ohne Tageslicht noch von einem selbst übrig geblieben wäre.
Der vorletzte Schott gibt den Blick auf die Motoren frei. Der hier wohnende Chefingenieur hatte zwar den Luxus eines eigenen Waschbeckens, durfte sonst aber bei einem Höllenlärm und leicht an die 60 °C dahingesiecht sein. Gleichzeitig fiel die Temperatur bei Betrieb der Elektromotoren wieder rasant ab, wenn man bedenkt, dass der umliegende Ozean gerade mal 2-4 °C hatte. Dazu verfügte das U-Bott dann tatsächlich auch über eine Heizung, die gemeinsam mit einer Schaumlöschanlage im letzten Schottenbereich untergebracht ist.
Summa summarum: Dieses U-Boot hat es sicher nicht auf die Liste der Top-Arbeitgeber in Russland geschafft – und auch sonst nirgendwo in der Welt. Die Übermacht an Technik und funkengroße Vorstellung eines Alltages an Bord sind aber wahrlich beängstigend und gleichzeitig beeindruckend. Wer in Hamburg etwas Zeit übrig hat, sollte sich das nicht entgehen lassen. Alle anderen sollten dafür Zeit freimachen. Die Führung wird unbedingt empfohlen – so dauert das ganze gerade mal 45 Minuten.
Malte Raudszus
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