Das Staatsballett Berlin lädt Klein und Groß zum Märchentanz
Das Kinder- und Jugendensemble des Staatsballetts Berlin erfreut Groß und Klein rund um die Weihnachtszeit und im neuen Jahr mit dem Ballett zu Hänsel und Gretel. Die Geschichte von Hänsel und Gretel kennen wir noch, aber es schadet nicht, sie wieder kurz aufzufrischen. So leben die zwei mit Ihren Eltern und vier weiteren Geschwistern in einem bescheidenen Heim. Leider sind die Eltern sehr arm und haben kaum genug zu essen für die ganze Familie. Eines Tages schicken sie Hänsel und Gretel fort in den dunklen Wald. Dabei verläuft sich das Geschwisterpärchen in der Finsterkeit und fürchtet sich ganz arg vor den unheimlichen Bäumen und der Nacht. Doch als alles ganz fürchterlich und aussichtslos erscheint, entdecken sie plötzlich ein Lebkuchenhaus auf einer kleinen Lichtung. Unverzagt knabbern sie sich durch die Leckereien, als die böse Hexe erscheint. Sie fängt Hänsel ein und möchte ihn nun gerne schön mästen, bis zu dem Tage, an dem sie ihn als leckeren Braten in den Ofen schieben kann. Gretel muss das fürchterliche Geschehen als gezwungene Hausmagd der Hexe beobachten und zusehen, wie Hänsel fleißig von der Hexe dick gefüttert wird. Als die Hexe Hänsel dann aber für die großen Tag befreit und die Ofentür öffnet, steht auch Gretel bereit, und gemeinsam schubsen die Geschwister die Hexe ins Feuer.
Das Ballettensemble besteht aus einer großen Kinderschar verschiedenen Alters. Es ist niedlich anzusehen, mit welch großer Begeisterung und Professionalität die ganz Kleinen und die ein wenig Älteren die Bühne betanzen. Und sehr ähnlich sieht es auch im Publikum aus, denn „Hänsel und Gretel“ ist ein echtes Familienballett. Vater und Mutter, Oma und Opa oder Onkel und Tante haben die Kleinen in die Deutsche Oper Berlin eingeladen. Es herrscht schon im Foyer eine große Vorfreude auf das Ballett, und es ist einfach herzerwärmend anzusehen, wie die kleinen Zwerge schon so begeisterungsfähig für ein Ballett sind. Auch im Saal herrscht dann eine ganz andere als die übliche gedämpfte Stimmung. Viel Kindergequieke und einige spitze Laute bringen einen ungewohnten aber frischen Klang in den Saal. Man sieht auch die ein oder andere Brotbox, die hier noch zum Vorschein kommt, um die Kleinen bei Laune zu halten. Aber das erscheint total gewöhnlich und rundet das Familienbild nur ab.
Eine besondere Gestaltungsform wurde für das Bühnenbild gewählt, in dem man sich dem kindlichen Basteltrieb zugewendet hat. Der Regisseur Giorgio Madia hat hierzu gemeinsam mit seinem Bruder Claudio Madia gearbeitet, der zahlreiche Kinderbastelbücher verfasst hat und in Mailand künstlerischer Leiter der „Kleinen Zirkusschule“ ist. Alle Artefakte bestehen aus Pappe, die zumeist auch auf der Bühne auf- und abgebaut – oder besser gesagt zusammen- und auseinandergefaltet werden. Auch dies geschieht selbstverständlich im Tanz. So entsteht zuerst die Tafel mit den Sitzplätzen von Hänsel und Gretels Familie. Hier, wo Mutter und Vater unter Tränen eingestehen müssen, dass sie nicht genug zu essen für die gesamte Familie bringen können. Dann ist es das kleine Häuschen, in dem sie wohnen und das mitten im finsteren Walde steht. Peu-a-peu ist es aus einer ausgelegten Würfelfläche gefaltet, und die gesamte Familie sucht Schutz darin. Nur Hänsel und Gretel purzeln wieder heraus und machen sich auf den Weg durch den dunklen Wald, wo sie unendlich viele Augenpaare aus den nachtschwarzen Baumwipfeln zu beobachten scheinen. Auch das Lebkuchenhäuschen und der gruselige Hexenofen sind wahre Faltkünste. Das Lebkuchenhaus ist fein geschmückt und die kleinen Geschwister bedienen sich reichlich. Der Ofen hat etwas Gespenstisches und sehr Wandelbares – er kommt mehr als ein gefräßiges Tier daher denn als ein stiller Kamin mit großer Öffnung und knisterndem Feuer dahinter.
Das Ballett zur Musik von Edvard Grieg ist handlungsintensiv und deshalb auch für die kleinen Gäste gut nachvollziehbar. Aber es ist auch gespickt mit etwas Abstraktion und verlängerten Tanzeinlagen, die sich nicht direkt in der Handlung widerspiegeln. Von daher hilft es schon, das Märchen von Hänsel und Gretel nochmal aufzufrischen, bevor man das Ballett besucht. Gleichfalls ist es aber auch für die begleitenden Eltern, Großeltern und weitere erwachsene Zuschauer ein sehr sehenswertes Ballett und somit eben nicht nur eine Kinderveranstaltung.
Malte Raudszus
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