La Traviata – Violetta als heilige Kurtisane

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Verdis Oper in der Hamburgischen Staatsoper als Spiel in Licht und Schatten

Foto: Monika Rittershaus

Foto: Monika Rittershaus

Violetta Valéry bewegt sich zwischen den Welten des vermeintlichen Lichtes und des so benannten Schattens. Als Kurtisane geht sie in gehobener Form dem Weg der Prostitution nach und lässt sich von wohlhabenden Männern aushalten, um ihren luxuriösen Lebensstil zu finanzieren. Dieses „vom (züchtigen) Wege abgekommene“ Dasein beinhaltet schon der Titel der Oper – „La Traviata“ – „vom Wege abgekommen“. Doch ist das Ansehen der Kurtisanen zur Zeit der Entstehung der Oper gar nicht von oberflächlicher Herablassung geprägt, sondern die Damen gelten durchaus als Statussymbol in gehobenen Kreisen, um den eigenen wirtschaftlichen Erfolg nach außen zeigen zu können. Jedoch bleibt es eine Parallelwelt zur bürgerlichen Welt. Mit ihrer beginnenden Liebe zu Alfreo kommt Violetta de facto ein weiteres Mal und zwar diesmal von dem von ihr gewählten Wege ab, womit der Name „La Traviata“ in der Oper tatsächlich eine Doppeldeutigkeit erfährt. Ihre Illusion, die düstere Seite nun plötzlich verlassen zu können, um die des bürgerlichen Lichtes zu betreten, stellt sich als irreal heraus. Ihre selbstlose Aufopferung zum Wohle der Familie Germont lässt sie wiederum zu einer heiligen Prostituierten gedeihen, was es vermag, klischeehafte Männerfantasien zu bedienen.

Violetta als schillernde Gestalt des Pariser Nachlebens hat sich einen Namen als die wertvollste Kurtisane ihrer Zeit gemacht. Sie sieht jedoch bereits ihr Ende in greifbarer Entfernung, denn sie leidet an Schwindsucht, wie die Lungentuberkulose im Volksmunde genannt wird. Die Krankheit wird auch als der „schöne Tod“ beschrieben, denn ihre Symptome sind von trügerischer Art. So zeigt sie sich mitunter durch rote Wangen, glänzende Augen und Aufwallungen von Vitalität. Alfredo Germont hat sich schon länger in die Lichtgestalt der Nacht verliebt und wartet darauf, Violetta seine Liebe zu gestehen. Im Duett eines Festtrubels sagt Violetta zu ihm, dass „im Feiern das Leben liegt“. Alfredo antwortet, dass dies nur gelte, solange man noch nicht liebt. Violetta weist ihn zurück mit den Worten „Sagt das nicht der, der das nicht kennt“. Jedoch scheint Violetta bald von sich selbst überrascht, als sie beginnt, für Alfredo zu empfinden. Ihre Liebe entwickelt sich, und wie von Alfredo angekündigt, nimmt der Drang nach großen Festen ab. Sie ziehen sich aufs Land  und genießen ihre Zweisamkeit. Alfredo weiß zuerst nicht, dass Violetta zur Finanzierung Ihres Landlebens ihr Vermögen peu a peu veräußert. Als er es erfährt, reist er überstürzt in die Stadt, um die Dinge in andere Wege zu leiten.

Foto: Monika Rittershaus

Foto: Monika Rittershaus

Die Gelegenheit der einsamen Violetta wird sogleich von Alfredos Vater Giorgio Germont genutzt. Ihm ist die bürgerliche Beziehung seines Sohnes zu einer Kurtisane ein großer Dorn im Auge. Zusätzlich gefährdet sie die Heirat seiner Tochter, deren aussichtsreicher, potenzieller Gatte sich einer Eheschließung verweigert, solange der Bruder mit einer Kurtisane liiert ist. Am heutigen Abend ist das Duett von Violetta und Vater Germont der gesangliche Höhepunkt des Abends. Von unglaublicher Klarheit geprägt, singt Violetta ihren Schmerz über die gefürchtete Trennung. Germont opponiert mit kraftvoller, entschiedener aber auch wohlwollender Stimme. Im Höhepunkt des Duetts bittet Violetta Alfredos Vater sogar, sie als Tochter zu sehen und zu umarmen. Daraus schöpfe sie die Kraft, seine unmenschliche Forderung zu erfüllen und zum Wohle der Familie auf ewig auf Alfredo zu verzichten. Sie wirft sich ihm in die Arme, doch seine Reaktion bleibt verhalten, und sie scheint langsam an ihm hernieder zu sinken. Dennoch willigt sie schließlich in seine Forderung ein. Violetta hat nun also zum einen ihr durch Prostitution erwirtschaftetes Vermögen für das Landleben mit Alfredo hingegeben, um dann auch noch auf des Vaters Wunsch hin selbstlos auf den Geliebten zu verzichten. Diese engelsgleiche Philosophie Violettas entspricht Verdi mit der in Musik gesetzten Utopie der „Umanità“, der Menschlichkeit.

Die Inszenierung durch Johannes Erath für die Premiere am 13. Februar 2013 rückt gefühlt die musikalische und gesangliche Ebene der Oper gegenüber der Handlung in den Vordergrund. Das Bühnenbild dominiert im Großteil der Aufführung eine Szenerie eines alten Rummelplatzes mit Autoskootern. Es soll den Bezug zur illustren Schaustellergesellschaft schaffen, die selbst ein unwirkliches Dasein lebt und der kurzfristigen Freude unterworfen ist. Über allem schwebt – drohend herabzustürzen – eine schräge, schwere, düstere Decke aus morbidem Beton. Es erweckt den Anschein, als könne das Schauspiel jeden Moment vorbei sein, wenn die herabfallende Decke alles unter sich begräbt. Annette Kurz als Verantwortliche für das Bühnenbild hat somit ein wahrlich bedrohliches Szenario erschaffen, das die freudigen Feiern des Lebens in ein sehr wackeliges Licht rückt.

Foto: Monika Rittershaus

Foto: Monika Rittershaus

In der Rolle der Violetta ist Irina Lungu zu sehen und hören, die mit ihrer gesanglichen Klarheit, Kraft und Anmut eine äußerst bewegende Leistung zeigt und das Publikum begeistert. Die außergewöhnliche klangliche Flexibilität ihres Soprans mit den leuchtenden Höhen und ihrer herausragenden Bühnenkondition machen Sie zu einer einzigartigen Künstlerin und erlauben ihr an den größten Opernhäusern weltweit aufzutreten. Mindestens ebenbürtig, wenn auch nicht vergleichbar, tritt Andrzej Dobber als Giorgio Germont auf. Nach seinem Studium in Krakau und Nürnberg und seiner Zuwendung zum Bariton konnte er bereits eine ausgezeichnete Karriere an der Oper Frankfurt, der Bayrischen Staatsoper München und der Mailänder Scala absolvieren. Die Hamburger Staatsoper setzte sich schließlich für ihn ein, dass er vom Hamburger Senat zum Hamburger Kammersänger ausgezeichnet wurde. Sein kraftvoller Bariton bleibt unaufgeregt, dringt mit seiner Vehemenz aber tief in die Herzen der Zuschauer ein. Massimo Giordano als Alfredo Germont kann es bei dieser Besetzung schwer fallen, aus dem Können „des Vaters“ herauszutreten. Jedoch mag dies zum Verlauf der Oper passen, denn Alfredo bleibt ja ebenso durch Violetta und seinen Vater fremdbestimmt.

 

Malte Raudszus

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