22 Anregungen aus der deutschen Geschichte und Gegenwart.
In Zeiten von „Fast Food“, „Junk Food“ und „Coffee to Go“ als hektische Nahrungsaufnahme mutet ein Sachbuch zum Thema „Kunst der Gastlichkeit“ wie aus der Zeit gefallen an. Jedoch kann gerade wegen der Verrohung der Gas- und Essenskultur einerseits und des Zelebrierens von guter Küche und passenden Weinen in Fernsehsendungen andererseits ein Buch wie dieses ein schöner Impulsgeber sein. In 22 Kapiteln setzt sich der Autor mit der Geschichte der Gastlichkeit in Deutschland auseinander. Er beschreibt es als urmenschliches Bedürfnis, beieinander zu sitzen, sich aufeinander einzulassen, sozusagen „im heiteren Spiel, ein Geben und Nehmen, nicht frei von Überraschungen“.
Wie es dazu kam, erläutert Erwin Seitz, indem er in die frühe Menschheitsgeschichte zurückspringt, als die ersten Sippen vor Urzeiten in der Savanne rund ums Feuer saßen und Erfahrungen im Garprozess der Nahrung sammelten. Offenbar tragen wir dieses Erbe noch immer ins uns, wenn wir im Sommer die Duftschwaden von gegrilltem Fleisch erschnüffeln und das Gegarte vom Knochen abnagen. Im ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, so berichtet Poseidonios, aßen die Germanen schon zum Frühstück Fleisch, das in Stücken gebraten wurde. Dazu tranken sie Milch, aber auch Wein, der nicht mit Wasser verdünnt wurde. So wurden die Germanen als Barbaren abgestempelt, denn sie waren noch Nomaden, die das Land nicht kultivierten und sich am Wein berauschten. Da waren die Kelten doch schon kultivierter. So berichtet Poseidonios: „Die Kelten legen Heu auf den Boden und tragen das Essen auf Holztischen auf, die sich nur wenig über die Erde erheben. Das Essen besteht aus wenig Brot, aber viel Fleisch, in Wasser gekocht und auf Kohlen oder am Spieß gebraten. Sie essen ordentlich….“. Auch Caesar lässt sich schriftlich – etwa im „Gallischen Krieg“ – über die Sitten und Gebräuche unserer Vorfahren aus.
Nach ausführlichen, amüsant zu lesenden Ausflügen in die Geschichte der Gastlichkeit widmet sich der Autor in einem weiteren Kapitel der „Kunst des Tischgesprächs“. Hier zitiert er unter anderem Goethe, der für zwanglose Gespräche sorgte, indem er Utensilien wie Blumenvasen auf dem Tisch plazierte und so den Gästen die Möglichkeit bot, sich davon inspiriert zu fühlen. Bilder origineller Dinge, die nicht jeder kennt, können das Gespräch voranbringen. Weiterhin gibt es Vorschläge zum gedeckten Tisch, zur Sitzordnung, Anregungen, ein Essen auch atmosphärisch zu gestalten, und immer wieder wird Goethe als begnadeter Gastgeber zitiert.
Das Buch ist im Insel-Verlag erschienen, umfasst 251 Seiten und kostet 22,95 Euro.
Barbara Raudszus
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