Alice ist Studentin und verliebt in den siebzehn Jahre älteren, verheirateten Dermatologen „Pe“, der sie zu einer Reise nach Mexiko einlädt. Dort wohnen sie in einem Vier-Sterne-Hotel auf den Klippen über dem Meer. Sie revanchiert sich mit ihrer Jugend, flippigem Aussehen und experimentierfreudigem Sex. Was sie von ihm will, ist ihr selber nicht klar. Sie bildet sich ein, ihn zu lieben, bis sie irgendwann erkennt, das es nur eine oberflächliche Verliebtheit ist. In seltenen Momenten fühlt sie sich von ihrem älteren Liebhaber verstanden und geliebt, wie sie es sich erträumt hat. Doch es sind nur flüchtige Augenblicke, die für Alice zu keiner erfreulichen Entwicklung führen. Die meiste Zeit ist sie verunsichert und spürt unbewusst Pes Distanz zu ihr.
Doch alles ist im Fluss, so auch Alices Leben. Im Hotel trifft sie eines Tages auf eine auffällige Dame mit silbergrauem Haar und rotem Lippenstift, der beim Essen nicht verschmiert. Die Ältere schwimmt gerne, isst nur Obst und zieht die jüngere Frau mit einem Lächeln, das sie ihr gönnt, in ihren Bann. Alice bildet sich bald sogar ein, eine Freundin in ihr gefunden zu haben. Die „Meisterin“, wie Alice sie nennt, ist Schriftstellerin, und damit imponiert sie Alice ungeheuer. Von ihrem älteren Liebhaber frustriert, versucht Alice mit allen Mitteln, die Meisterin auf sich aufmerksam zu machen. Was könnte da besser sein, als die Schriftstellerin mit ausgefallenen Geschichten zu beeindrucken. Doch auch hier muss Alice schmerzlich erfahren, dass die Meisterin sie nur benutzt, um Stoff für neue Kurzgeschichten und Romane aus ihr herauszusaugen.
Doris Dörrie hat einen Roman über das Erwachsenwerden einer jungen Frau geschrieben. Gleichzeitig nimmt sie den Literaturbetrieb mit seinem vampirhaften Gebaren aufs Korn und lässt wenig Gutes an den Egomanen der Schriftstellerei übrig.
Der Roman „Diebe und Vampire“ ist im Diogenes-Verlag erschienen, umfasst 216 Seiten und kostet 21,90 Euro.
Barbara Raudszus
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