Beim 9. Kammerkonzert des Staatstheaters Darmstadt gastiert das Bläserquintett „Ma´alot“.
Bühnenmusik kommt gewöhnlich im vollen Orchesterklang daher, soll sie doch ein großes Haus füllen und die Dramatik der jeweiligen Handlung mit musikalischer Fülle unterlegen. Da ist es besonders reizvoll, bekannte Bühnenmusik einmal von einem kleinen Ensemble mit zwar vielfältigen, aber doch spezifischen Klangfarben geboten zu bekommen. Das Bläserquintett „Ma´alot“ – dieser hebräische Begriff bedeutet „Harmonie und Einklang“ – hat sich nicht nur mit der klassischen Bläser-Literatur profiliert, sondern auch Werke der Orchester- und Bühnenmusik für Bläserquintett adaptiert, wobei der Klarinettist Ulf-Guido Schäfer die Neufassungen gestaltet. Daneben engagieren sich die fünf Musiker auch für die moderne Musik. Im 9. Kammerkonzert des Staatstheaters gaben sie eine Kostprobe aus den Bereichen der Bühnenmusik und der Moderne – soweit man die 50er Jahre noch als „Moderne“ begreift. Das Quintett besetzt mit dem Horn (Sibylle Mahni), dem Fagott (Volker Tessmann), der Klarinette (Ulf-Guido Schäfer), der Oboe (Christian Wetzel) und der Flöte (Stephanie Winker) ein breites Klangspektrum und ist dadurch in der Lage, nahezu jede Art dramatischer Musik angemessen wiederzugeben. Dennoch unterscheidet sich die Wirkung deutlich von der eines Orchesters, da der volle, weiche Klangteppich der Streicher nicht zur Verfügung steht und die dort meist von den Kontrabässen gestaltete Rhythmik durch das wesentlich akzentuiertere Horn oder auch das Fagott übernommen werden muss. Ähnliches gilt für die anderen Instrumente, die jeweils die Aufgaben ganzer Instrumentengruppen übernehmen müssen. Das stellt hohe Anforderungen an die Virtuosität der Spieler, führt aber auch zu größerer Transparenz der Musik und zu reizvollen klanglichen Ergebnissen vor allem bei der szenisch orientierten Opernmusik.
Mozarts Oper „Cosi fan tutte“ stand am Anfang des Programms. Die frech-frivolen Duette der beiden Liebespaare und der fast schon zynischen Drahtzieher im Hintergrund eignen sich natürlich besonders für eine pointierte Interpretation durch die klar hervortretenden, eigenwilligen Klangfarben der einzelnen Blasinstrumente, und das Quintett spielte diese Fähigkeit der individuellen Charakterisierung auch lustvoll aus. Bereits das ambivalente Changieren der Ouvertüre zwischen vermeintlichem Spaß und hintergründiger Amoralität kam auf diese Weise sehr gut zum Ausdruck, und für die anschließenden fünf Arien gilt dasselbe. Jede findet ihr Instrument bzw. die passende Kombination von Instrumenten, um die jeweilige Eigenart zum Ausdruck zu bringen. Wer die Oper kennt, kann im Geiste den Auftritt der jeweiligen Personen und ihre Befindlichkeiten nachvollziehen.
Nach dieser Operninterpretation blieb das Quintett – im übertragenen Sinne – auf der Bühne. Jetzt stand Beethovens „Die Geschöpfe des Prometheus“ auf dem Programm, eine Musik, die es zwar nie zur vollständigen Oper gebracht hat, die aber dennoch des Öfteren konzertant gespielt wird. Hier ließen sich gut die feinen Unterschiede zu Mozarts Musik studieren. Auch wenn man hinter den einzelnen Stücken keine szenischen Bilder aufrufen konnte, entwickelten doch alle eine ganz eigene Charakteristik, vom „Allegro Vivace“ des zweiten bis zur „Andante- Adagio“ des vorletzten, wobei die Reihenfolge jedoch der ursprünglich intendierten dieser Bühnenmusik entsprach. Auch hier glänzten die einzelnen Instrumente wieder durch ihre Exaktheit und technische Perfektion, wobei vor allem das Horn hervorzuheben ist.
Nach der Pause erfolgte ein Sprung um gut einhundertfünfzig Jahre in die Mitte des letzten Jahrhunderts. György Ligetis sechs Bagatellen aus „Musica Ricercata“ brachten ihm damals in seiner kommunistischen Heimat Ungarn heftige Kritik wegen ihrer „Modernität“ ein, wirken heute jedoch gar nicht mehr besonders modern. Zwar sind sie von ausgeprägter Rhythmik und Metrik, doch zeigen sie tonale Strukturen und lassen sich gut hören. Zuweilen wirken diese kurzen Stücke sogar spätromantisch oder bisweilen gar lyrisch, wenn auch ihn einem harmonischen Rahmen, der bisweilen an Jazz erinnert. Die Fanfare in „Presto ruvido“ kommt gar recht stürmisch wie „Take Five“ im 5/4-Takt daher und würde bei jedem zeitgenössischen Jazz-Festival durchgehen. Wer György Ligeti und seiner Musik vorher vielleicht skeptisch gegenüber stand, musste sich eingestehen, dass man diese Musik nicht nur gut hören kann, sondern dass sie streckenweise sogar kantable Züge aufweist. Auch hier spielte das Horn mit akzentuierten und präzis gespielten Solo-Partien wieder eine herausgehobene Rolle, ohne die anderen Instrumente deshalb abwerten zu wollen.
Den Abschluss bildete dann mit Mendelssohns „Sommernachtstraum“ ein Repertoire-Renner. Auf die Ouvertüre verzichtete das Quintett wegen der kaum wiederzugebenden flirrenden Klangwirkungen des Originals offensichtlich bewusst, dann jedoch schöpften sie aus dem Vollen. Mit dem „Auftritt der Handwerker“, dem „Elfenmarsch“ und dem „Lied und Elfenchor“ kamen gleich drei oft gespielte Szenen zu Gehör, und hier konnten die fünf Musiker ihrer Spielfreude freien Lauf lassen. Wieder sorgte das Horn für besondere Momente, doch auch die anderen Musiker kehrten ihre technische und musikalische Perfektion voll heraus. Nach dem „Trauermarsch“ folgten dann noch das bekannte „Scherzo“ sowie die ebenfalls zu „Ohrwürmern“ geronnenen „Notturno“ und „Rüpeltanz“. Den fünf Musikern gelang es, die Atmosphäre dieser Bühnenmusik auf eine Weise wiederzugeben, die einerseits an die bekannte Orchesterversion erinnerte, aber andererseits eine ganz eigene Klangwirkung entwickelte. Temperament, musikalischer Witz und hohe Präzision sind die Markenzeichen dieses Quintetts, das sich anschließend dem mehr als kräftigen Beifall des Publikums im gut besetzten Kleinen Haus stellte und noch eine eher besinnlich Zugabe spielte.
Frank Raudszus
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