In den Kammerspielen des Staatstheaters zündet die Komödie „Geld und Gott“ ein Feuerwerk aus Witz und Frechheit.
Der Titel „Geld und Gott“ suggeriert eine Satire – oder auch Komödie – über Religion und Habgier, gerne auch mit einem erhobenen Zeigefinger gegen den bösen Kapitalismus. Und dieses alliterierende Begriffspaar bietet auch viele gute Ansätze für bitterböse Assoziationen und Anspielungen.
Doch die Realität entspricht in diesem Fall – wie so oft – nicht den Erwartungen und eventuellen Vorurteilen. Die Autoren haben sich zwar ausgiebig aus dem Vorrat der finanzwirtschaftlichen, kapitalismuskritischen und kriminalistischen Ideen bedient, diese aber nicht zu einer Anklage gegen ein angeblich menschenfeindliches System umformuliert sondern in eine verrückte Farce über die Wechselfälle des Lebens transformiert. Dabei zitieren sie geradezu genüsslich die Kriminalfilme der „schwarzen Serie“ („film noir“), die amerikanischen „screwball comedy“ und den „Supermann“-Mythos. Slapstick bis hin zur Akrobatik, schnelle Dialoge und die geschickte Nutzung der Videotechnik setzen weitere Akzente in dieser temporeichen Groteske.
Der ehemalige, durch Zockerei hoch verschuldete Anwalt Maximilian (Nicolas Fethi Türksever) kann sich seinen Spielschulden nur noch durch einen dubiosen Geldtransfer mittels einer blauen Reisetasche entledigen. Auf dem Weg zur Geldübergabe lernt er die eitle, etwas schlicht gestrickte Schauspielerin Betty (Lene Dax) kennen und vergisst über diese erotische Chance kurzfristig seinen Koffer. Danach läuft ihm die resolute Polizistin Josefine (Yana Robin la Baume) über den Weg, der die blaue Reisetasche verdächtig vorkommt. Josefine tritt als „Tatort“-Zitat als selbsterziehende Mutter und Betreuerin eines pflegebedürftigen Vaters auf, den sie während ihrer Ermittlungen permanent am Telefon beruhigen muss.
Nach einer spektakulären Flucht durch fiktive Treppenhäuser und über ebenso fiktive Dächer trifft Maximilian schließlich auf seine Verfolger, die ihn nicht nur zusammenschlagen, sondern auch mit der Tasche verschwinden. Flucht und Schlägerei als „Einmannshow“ ohne reale Verfolger respektive Schläger bilden einen darstellerischen Höhepunkt der Inszenierung, wenn Türksever von Wänden springt, sich mehrmals überschlägt und von virtuellen Gegnern über ein ebenso virtuelles Hochhausdach geschleift oder zusammengetreten wird. Man spürt die Brutalität der nicht vorhandenen Gangster fast körperlich.
Parallel dazu verläuft ein ebenso absurder Handlungsstrang mit dem Koch und ehemaligen Physiker Juan (Mathias Znidarec), der unentwegt seinen Freund, einem Stuntman und Supermann-Darsteller, sucht. Dieser ist im Glauben, wie Supermann fliegen zu können, im passenden Kostüm vom Hochhaus gesprungen – mit den erwartbaren Konsequenzen. Und dann ist dann noch der dubiose „Bob Dylan“ (Karin Klein), eine Figur, die Juan an den berühmten Sänger erinnert und der er deshalb auf eine Tour durch die menschliche Hölle folgt, frei nach Dantes „Göttliche[r] Komödie“.Trotz teilweise wörtlicher Zitate aus Dantes Hauptwerk geht es hier aber mehr um eine moderne Hölle, die jedoch eher farcenhaft denn moralisierend daherkommt. Als verbindendes Element der zwei Handlungsstränge fungiert der Discounter-König Otto Gott (ebenfalls Mathias Znidarec), dessen rechteckiges blaues Logo mit dem gelb-roten Rand uns verdächtig bekannt vorkommt, der seine Untergebenen nach guter alter Kapitalistenmanier am Telefon zusammenstaucht und der ansonsten in einer eigenen Welt lebt. Bei seiner Party für die Mega-Reichen auf seiner Yacht laufen alle Fäden zusammen, und dort eskaliert die Geschichte auch zu einer so grotesken wie dilettantischen Entführung, an der sogar Josefine teilnimmt und die schließlich so grandios scheitert, dass sich die Täter nur noch in die Fiktion des Films retten können – frei nach „Purple Rose of Cairo“.
Raymond Chandler und seine schwarzen Krimis aus einem moralisch verkommenen LA findet man in den lakonischen Kurzsätzen Maximilians wieder, wenn er von seinem Alltag erzählt, und Magritte feiert fröhliche Urständ in der Aufschrift „Ceci n´est pas une lit“. In einer anderen Szene zitieren Nicolas Fethi Türksever und Yana Robin la Baume die berühmte Bugszene aus dem Film „Titanic“, und so folgt ein mehr oder weniger spontan identifizierbares Filmzitat dem anderen. Wahrscheinlich benötigt man mehrere Aufführungen, um alle Kino- und Literaturzitate zu erkennen.
Die Darsteller sind mit viel Engagement und Spielfreude dabei, allen voran Nicolas Fethi Türksever, an dem fast ein Akrobat verlorengegangen ist und der seine Knochen – vor allem den Schädel – des Öfteren heftig malträtiert und auch mal einen Sprung aus knapp zwei Metern Höhe auf die Bühne riskiert. Daneben zeigt er auch sein komödiantisches Talent bis hin zum Slapstick und erinnert mit seinem Trenchcoat und der Prügel, die er einstecken muss, an die einsamen Helden aus Chandlers und Hammets Kriminalromanen, die am Ende zwar den Fall lösen, aber dennoch als Verlierer die Bühne verlassen. Yana Robin la Baume ist eine glänzende Parodie der ausgebufften Polizistin – wie gesagt: „Tatort“ -, die alles schon erlebt hat und die nichts schrecken kann, und Mathias Znidarec ist mal der verpeilte Koch und dann wieder der größenwahnsinnige und abgehobene Discounterkönig Gott, der schließlich zu dem Schluss kommt, dass er eben dieser ist. Lene Dax spielt die Betty als Schauspielelevin, die für eine Karriere auch zum Gang durch die Betten bereit ist, dies jedoch – natürlich – entrüstet ablehnt, und Karin Klein gibt den Führer durch die Hölle als rassige Frau mit der rauchigen Rätselhaftigkeit einer Marlene Dietrich, einer großen Sonnenbrille sowie hochgeschlagenem Mantelkragen und tritt vorzugsweise in einer Art Disconebel auf.
Die Bühne von Silke Bauer besteht aus hölzernen Bauelementen, wie man sie auf Hochhausdächern findet, denn da spielt ein Großteil der Geschichte – Stichwort „Supermann“. Regisseur Steffen Klewar hat nicht nur die einzelnen Figuren ausgezeichnet aufeinander abgestimmt und für durchgehend hohes Tempo gesorgt, sondern auch die Videotechnik sinnvoll in das Bühnengeschehen integriert. Oftmals werden Videos im Theater der Handlung als „originelle“ Regie-Idee aufgezwungen – siehe Volksbühne -, hier aber stellen sie ein zusätzliches, zeitweise selbstreferentielles Mittel der Handlung dar, das dem Geschehen einen neuen Aspekt abgewinnt und für wirklich überraschende Effekte sorgt – vor allem am Schluss.
Rundherum eine gelungene Komödie, die verschiedene gesellschaftliche Trends und Entwicklungen parodistisch und ohne jegliches Moralisieren aufspießt. Ein Heidenspaß, bei dem manche Besucher jedoch denken mögen „Ogottogott – wie verrückt!“.
Frank Raudszus
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