Italo Svevo: „Ein gelungener Streich“

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Ein „fabelhaftes“ Buch über die Eigenarten und Schwächen der Männer.

Italo Svevo (1861-1928) ist ein Kind der vorletzten Jahrhundertwende. Das schlägt sich nicht nur in seinem Stil nieder, der manchem etwas altmodisch erscheinen mag, aber noch den alten Regeln des „Fabulierens“ gehorcht. Auch seine Themen kreisen – zumindest in diesem Erzählungsband – immer wieder um das gleiche Grundthema: den Ersten Weltkrieg. Der war für die Generation des Autors wohl das einschneidenste Erlebnis, das man sich denken konnte. Doch Svevo ist kein Verfasser von Kriegsromanen, sondern er beschreibt das Leben der Menschen, die nicht selbst an den kriegerischen Ereignissen beteiligt waren, sondern sich mit den Einschränkungen und Unsicherheiten des Kriegsalltags herumschlagen mussten. Das lag sicher daran, dass Svevo bei Ausbruch des Krieges bereits über fünfzig Jahre zählte. Seine genaue Beobachtungsgabe konzentriert sich schwerpunktmäßig auf Männer über fünfzig, was unschwer auf biographische Gründe zurückzuführen ist. Dabei zeigt er sich auch durchaus als Meister der Selbstironie, indem er die typischen Schwächen reiferer Männer mit mildem Spott in den Mittelpunkt seiner Geschichten rückt.

1504_svevoGleich die erste Erzählung handelt von einem dieser Männer, der sich aus gesundheitlichen Gründen mit Alkohol und Nikotin zurückhalten muss. Die genaue Überwachung seines Lebenswandels und seines medikamentösen Alltags durch seine Frau trifft sein männliches Selbstbewusstsein schwer, fühlt er sich doch in die demütigende Rolle eines unmündigen Kindes zurückversetzt. Und so genießt er auch die Erlaubnis(!) seiner Frau, sich anlässlich einer Hochzeit mal einen guten Wein zu genehmigen. Natürlich werden es mehr, und die Folgen ergeben sich zwangsläufig in Form einer leichten Trunkenheit, enthemmter Worte, Abrechnungsgelüste und ähnlicher Schwächen. In einer wegen der Nachwirkungen schlaflosen Nacht sieht er sich mit den Auswirkungen des nahenden Alters konfrontiert und muss seufzend die Vergänglichkeit akzeptieren.

In der titelgebenden Erzählung lebt der Amateurschriftsteller Marion mit seinem – natürlich kulturell beschränkten weil nicht von der Muse geküssten – Bruder zusammen. Mario schreibt seit Jahren an einem Roman und träumt vom großen Erfolg als umschwärmter Dichter. Sein Bruder lässt abendliche Dichterlesungen über sich ergehen und wagt es kaum, um andere Lesestoffe zu bitten. Dann naht das Unglück in der Gestalt eines ungeliebten Bekannten, der dem angehenden Großdichter mit der Hilfe eines arbeitslosen Weinhandelsvertreters einen vermeintlichen, hoch dotierten Verlagskontrakt unterjubelt. Hier beschreibt der Autor die Träume und Hoffnungen aller Schriftsteller sowie die Täuschungen, denen sie so gerne aufsitzen. Dass die Geschichte letztlich doch gut ausgeht, ist sozusagen ein trotziges „Dennoch“ des Autors. Die verschiedenen Befindlichkeiten des heimlichen Dichters verarbeitet dieser in Tier-Fabeln und befreit sich so immer wieder von seinen Enttäuschungen, Zweifeln und Gewissensbissen.

Eine weitere Geschichte handelt von einem alternden Geschäftsmann und Witwer, der plötzlich in Liebe zu einem jungen Mädchen entbrennt. Diese erkennt in den schlechten Kriegszeiten den Wert eines solchen „Sugar-Daddys“ und geht ganz unbefangen ein Verhältnis mit ihm ein. Er jedoch verzehrt sich abwechselnd in Eifersucht und Gewissensbissen und kaschiert seine fleischlichen Begierden mit einem vordergründigen Wohltätertum, das er selbst als erster durchschaut. Mit zunehmender Dauer der letztlich untragbaren Situation muss er dem Alter Tribut zollen und erkennen, dass seine Träume von einer späten Liebe so selbstsüchtig wie eitel waren.

Italo Svevo bedient sich noch eines epischen Stils mit sprachlich ausgefeilten Sätzen und einer feinen Ironie. Wer dies nicht mehr gewohnt ist, wird es vielleicht als altertümelnd empfinden. Wer jedoch Sinn für eine anspruchsvolle Sprache und eine Ironie hat, die menschlich und liebevoll mit ihren Figuren umgeht, wird an diesem Erzählungsband sicherlich Freude haben.

Das Buch ist in der Manesse-Bibliothek erschienen, umfasst 476 Seiten und kostet 24,95 Euro.

Frank Raudszus

 

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