Ein detailliertes Sachbuch über das römische Militär unter Kaiser Augustus.
Im Jahr 1985 jährte sich der römische Feldzug nach Raetien des Jahres 15 v. Chr. zum zweitausendsten Mal. Drusus und Tiberius, die Söhne des Kaisers Augustus, bekämpften damals die Raetier und Vindeliker und gründeten dabei die Stadt Augsburg, damals nicht mehr als ein römisches Legionslager. Für die Augsburger bot dieses Jubiläum den Anlass zu vielfältigen Aktionen, die einen Rückblick auf die Zeit der Gründung ermöglichten, und auch Markus Junkelmann wollte an diesen Jubiläumsfeiern teilhaben.
Sein Interesse galt schon lange dem römischen Militärwesen, und besonders hatte es ihm der Marsch der römischen Legion „Rapax“ von Verona zum damals noch nicht existierenden Augsburg im Jahr 15 v. Chr. angetan. Und so beschloss er, diesen Marsch mit einer kleinen Schar von Freiwilligen in naturgetreu nachgefertigter Ausrüstung und unter möglichst realistischen Bedingungen nachzustellen. Zwar wurde es dann doch nichts mit der finanziellen Unterstützung aus der Augsburger Jubiläumskasse, aber Junkelmann ließ sich nicht entmutigen, investierte eigenes Geld, suchte sich andere Geldgeber und konnte den Marsch schließlich mit neun Mann durchführen.
Der Bericht über diesen etwa dreiwöchigen Marsch eröffnet das Buch und verleiht ihm damit Frische und Aktualität über die detaillierte historische Information hinaus. Doch Junkelmann stellt dem Ganzen noch eine umfassende Einleitung voran, in der er die Gründe für das „Reenactment“ – so nennt man u. a. die möglichst naturgetreue Nachstellung historischer Ereignisse – darlegt und sich von jeglicher touristisierenden Romantik distanziert. Er sieht sich als Wissenschaftler, der historische Befunde nicht nur am Schreibtisch ausarbeiten sondern auch in der Realität auf Stichhaltigkeit überprüfen will. Ihm ging es vor allem darum, zu beweisen, dass die Legionäre damals mit voller Ausrüstung wochenlang zu Fuß unterwegs sein, in Zelten schlafen und sich von selbst transportierten bzw. hergestellten Lebensmitteln ernähren konnten. Das gelang ihm und seiner Truppe, wenn auch der Speiseplan während des Marsches unerwartet durch viele spontane Gaben der jeweiligen Bevölkerung angereichert wurde, was den römischen Trupopen sicher nicht passiert ist. Außerdem führten moderne Lebensweise und Schuhwerke zu Probleme mit den naturgetreu nachgefertigten Sandalen der Römer, will heißen: Blasen und andere Fußleiden. Dazu kamen Erkältungen und andere auf das teilweise nasskalte Wetter zurückzuführende Erkrankungen. Doch der umjubelte Empfang in Augsburg und die Reaktion der Presse entschädigten für alle Strapazen.
Doch war dies, wie gesagt, nur der sicher publikumswirksame „Aufmacher“ dieses Buches und ein schlagender Beweis für die Richtigkeit vieler Überlegungen. Letztlich geht es Junkelmann in seinem Buch um die detaillierte Beschreibung von Aufbau und Struktur des römischen Heerwesens bis hin zu Kleidung, Ausrüstung, Waffen und Kampftaktik. Wer sich für die Zeit um Christi Geburt und vor allem für die geopolitischen Verhältnisse und die militärischen Aktivitäten interessiert, findet hier ein umfangreiches Kompendium vor.
Bevor Junkelmann auf die technischen Details zu sprechen kommt, liefert er noch einen historischen Diskurs von der Zeit des Triumvirats – Caesar, Crassus und Pompeius – bis zum Tode des Kaisers Augustus, den Caesar einst noch als Octavian zu seinem Nachfolger erkoren hatte. Detailliert schildert Junkelmann die Zeit der ausgehenden Republik, die Übernahme durch Militärs und die Gründe dafür („Überschreitung des Rubikons“), die Ermordung Caesars, den sich anschließenden Bürgerkrieg und schließlich die Eroberungsfeldzüge des Augustus nördlich der Alpen. Im Anschluss daran beschreibt er die Struktur des Heeres mit Legionen, Kohorten, Manipeln und Centurien, Personalstruktur und Karrierewege, analysiert die Bedeutung der Auxiliartruppen, kommt dann zu der Bezahlung und Verpflegung der Kampftruppen, zu Disziplin und Kampfmoral (bis hin zu Meutereien!) und endet mit der Bedeutung der Religion. Dem folgt die akribische Beschreibung der verschiedenen Waffentypen und ihres Einsatzes im Kampf. Das abschließende Kapitel beschreibt die unterschiedlichen Kampftaktiken und schätzt die Verluste ab.
Soweit möglich stützt sich Junkelmann auf Ausgrabungen zu all den oben genannten Gebieten – Waffen, Münzen, Kleidungsstücke, Ausrüstung – und diskutiert auch streckenweise widersprüchliche Interpretationen verschiedener Historiker. Dabei wird klar, wie unsicher noch heute viele Zuschreibungen sind, so etwa im Falle der Varus-Schlacht („Hermann der Cherusker“), zu der immer noch verschiedene Deutungen existieren. Doch Junkelmann geht mit widerstreitenden Aussagen nicht dogmatisch um, sondern räumt ihnen allen – soweit nachvollziehbar – ihre Existenzberechtigung ein. Ihm geht es nicht um den Beweis der Richtigkeit (s)einer Theorie, sondern um die Vielfalt der Facetten seines Untersuchungsgegenstands. Das macht die Ausführungen nicht nur lesenswert, sondern regt auch zum eigenen Denken an, soweit das eigene Fachwissen mithalten kann.
Und auch den Freunden der lateinischen Sprache hat Junkelmann ein „Schmankerl“ zu bieten. Wilfried Stroh, Professor für Latein an der Universität München, hat das Vorwort verfasst – zuerst in Latein und erst dann in deutsch. Leser mit humanistischem Hintergrund sollten also mit der „versio latina“ beginnen und können sich bei Bedarf Hilfe aus der Übersetzung holen – wie beim Spicken in der Lateinarbeit….
Das Buch „Die Legionen des Augustus“ ist im Herbert Utz Verlag erschienen, umfasst 411 Seiten und kostet 38 €.
Frank Raudszus
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