Das Frankfurter Städel-Museum zeigt die Sonderausstellung „Monet und die Geburt des Impressionismus“ mit bedeutenden Werken des 19. Jahrhunderts.
In diesem Jahr feiert das Städel-Museum sein zweihundertjähriges Bestehen. Zu diesem Jubiläum haben Direktor Max Hollein und seine Mannschaft sich etwas Besonderes einfallen lassen: eine Übersicht über die Entstehung und Entwicklung des Impressionismus am Beispiel von Claude Monet. Neben Werken aus der eigenen Sammlung, etwa Monets „Mittagessen“ oder Renoirs „Nach dem Mittagessen“ finden sich hier auch berühmte Leihgaben internationaler Häuser wie Monets „La Grenouillère“ (Metropolitan Museum of Art, New York) oder der „Boulevard des Capucines“ (Nelson-Atkins Museum of Art, Kansas City) sowie eine Reihe von Werken anderer Impressionisten. Man könnte durchaus sagen, dass sich anlässlich des Städel-Jubiläums eine Reihe illustrer Gäste für ein Vierteljahr eingefunden haben und den Besuchern sozusagen künstlerischen Jubiläumschampagner anbieten.
Natur statt alte Mythen
Als Claude Monet im Jahr 1840 zur Welt kam, bestimmte noch die akademische Historienmalerei mit exakt ausgemalten mythischen oder biblischen Szenen die Welt der Malerei. Die Wiedergabe der existierenden Welt mit all ihren Unzulänglichkeiten, Elend und Schäbigkeit galt als nicht gesellschaftsfähig, und die städtische Lebenswelt mit Technik, Rauch und Dreck fand sich in den Gemälden ebenfalls nicht wieder. In den sechziger Jahren des 19. Jahrhundert hatten einige jüngere Maler die „Schule von Barbizon“ gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hatte, im Freien nach der Natur zu malen anstatt im Atelier alte Mythen wiederzukäuen. Der junge Monet schloss sich dieser Gruppe an und verbrachte viel Zait malend im Wald von Fontainebleau, wo er etliche, nur scheinbar banale Motive auf die Leinwand brachte. Von Anfang an ging es diesen Malern nicht so sehr um die exakte Wiedergabe der Gegenstände und Menschen, sondern um den Eindruck, den diese bei dem Betrachter – sprich: dem Maler – auslösten. Ein rascher Pinselstrich, auch gerne pastos aufgetragen, konnte dabei wesentlich mehr Wirkung erzielen als sauber ausgemalte Falten, Glieder und Gesichtszüge. Auch die Themen – etwa ein „Waldweg bei Fontainebleau“ – errichteten kein hehres mythisches Gebilde vor dem Betrachter, sondern zeigten ihm die alltägliche Umwelt bei unterschiedlichsten Umgebungsbedingungen: früher Morgen, lastender sommerlicher Mittag oder weiche Abendstimmung.
Ablehnung des Establishments
Im Jahr 1870 meldete Monet zwei Bilder für eine Ausstellung in den staatlichen „Salons“ an, die damals ein faktisches Monopol auf Ausstellungen besaßen. Sowohl „Das Mittagessen“ als auch „La Grenouillère“ wurden nicht angenommen. Im ersteren hatte Monet seine Famile mit unehelichem Sohn in einem übergroßen Format dargestellt, das üblicherweise für Historienbilder reserviert war. Die scheinbare Banalität des Motivs, die Darstellung des unehelichen Kindes und das Format wurden als Provokation empfunden. Bei „La Grenouillère“ dürften die flirrenden, dick aufgetragenen Pinselstriche, mit denen Monet die Spiegelungen im Wasser auf faszinierende Weise wiedergab, bei der akademischen Jury Wirderwillen ausgelöst haben.
Man nimmt an, dass diese Ablehnung entscheidend zur Entwicklung des Impressionismus beigetragen hat, denn Monet zog sich jetzt von der institutionalisierten Malerei immer mehr zurück und widmete sich verstärkt seiner eigenen Sicht der Malerei. Dabei waren ihm Zeitgenossen wie Édouard Manet wichtige Vorbilder und andere wie Pissaro, Renoir oder Sisley Mitkämpfer. Wenige Jahre nach der missglückten Ausstellung wagten die „Impressionisten“, wie sie halb respektvoll, halb spöttisch von Kritikern genannt wurden, eine eigene Ausstellung, die sich öffentlich gegen die akademische Malerei positionierte und den Impressionismus trotz teilweise beißender Kritik zum ersten Mal im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankerte. Monet entwickelte seinen Malstil konsequent weiter, und seine Spätwerke, so die Serie „Die Kathedrale von Rouen“, zeigen nur noch von Licht und von Farbe erzeugte Stimmungen mit weitgehender Abstraktion des Gegenstands. Typisch dafür sind dafür die Bilder verschiedener Londoner Brücken, die im Nebel oder Dunst fast völlig verschwinden und teilweise bereits an moderne Malerei erinnern.
Struktur der Ausstellung
Die Ausstellung ist chronologisch in zwei Stockwerken organisiert. Der erste Teil im unteren Stockwerk zeigt neben Frühwerken an exponierter Stelle das damals abgewiesene „Mittagessen“ und nicht weit davon „La Grenouillère“. Daneben sind viele Werke von Monets Zeitgenossen aus den Jahren der „Schule von Barbizon“ zu sehen. Landschaftsbilder von Camille Corot, Gustave Courbet und anderen Früh-Impressionisten ermöglichen den Vergleich mit entsprechenden Werken Monets, und frühe Stadtbilder von Édouard Manet („Die Weltausstellung“) zeigen, dass die urbane Umgebung in der Malerei dieser Generation zunehmende Bedeutung gewann.
Der zweite Teil im oberen Stockwerk konzentriert aich auf die Jahre nach 1872 und endet in den späten Werken mit der atmosphärischen Auflösung des Bildgegenstands. Hier begrüßt den Besucher gleich zu Beginn die zweite Version des „Mittagessens“, nun mit dem Zusatz „dekorative Tafel“. Dieses Bild wirkt wie eine provokante Antwort auf die Zurückweisung des ersten „M;ittagessens“-Bildes: wieder ist Monets Familie zu sehen, allerdings jetzt nicht mehr im Vordergrund, sondern fast verschwimmend mit der flirrenden sommerlichen Farbenpracht des Gartens. Sowohl Sujet als auch Malweise verstoßen deutlich gegen die akademischen Regeln, haben aber längst ein Eigenleben entwickelt und weisen bereits in die Moderne voraus. Ein anderes Bild, das demselben Duktus folgt, ist der „Boulevard des Capucines“, in dem Monet aus der Vogelperspektive seines Ateliers den belebten Boulevard skizziert. Menschen sind hier nicht mehr als flüchtige Pinselstriche, und dennoch gibt dieses Bild auf unübertroffene Art die großstädtische Atmosphäre des Ortes und der Zeit wieder.
Fotos und Karikaturen als Beiprogramm
Die Ausstellung umfasst mehr als hundert Werken aus der Zeit des Impressionismus. Daneben zeigen Fotos aus dieser Zeit in zwei separaten Kabinetten den Beginn dieser neuen Kunstform anhand von Stadtfotos, die einen reizvollen Gegensatz zu den impressionistischen Gemälden bilden. Für Freunde des Humors zeigt ein weiteres Kabinett Karikaturen über die Impressionisten, die sich auf teils witzige, teils polemische und teils bösartige Weise mit dem neuartigen Malstil der Impressionisten auseinandersetzten. Am grellsten ist dabei die Karikatur des türkischen Militärs, das angeblich impressionistische Bilder zur Abschreckung der Feinde einsetzt.
Darüber hinaus hat das Städel auch aufwändige Forschungen, unter anderem mit UV- und Röntgenstrahlen, an impressionistischen Bildern durchgeführt, die den Entstehungsprozess dieser Bilder nachbilden und deren Ergebnisse ebenfalls für die Besucher zugänglich sind. Ein umfassendes „Digitorial“ ermöglicht einen interaktiven Zugang zu der Ausstellung vom PC, Laptop oder Tablet-PC.
Die Ausstellung ist vom 11. März bis zum 21. Juni dienstags, mittwochs sowie samstags und sonntags von 10 bis 19 Uhr, donnerstags und freitags von 10 bis 21 Uhr geöffnet. Weitere Informationen sind hier zu finden.
Frank Raudszus
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