Die Berliner Theatergruppe „copy&waste“ gastiert mit „Barbarellapark“ in den Darmstädter Kammerspielen.
Theater-Collagen scheinen derzeit „in“ zu sein, vor allem am Staatstheater Darmstadt. Nach der Jugendcollage „Tierreich“ kann man diese neue(?) Art des Theaters jetzt am Beispiel einer Szenenfolge zum Thema „Barbarella“ sozusagen aus einem anderen Blickwinkel begutachten. Dem Stück liegt lediglich eine Idee zugrunde, die man auch als „roten Faden“ bezeichnen kann: eine Theatertruppe von fünf Darstellern – drei Frauen und zwei Männer – berichtet in Monologen und Dialogen über ihr bereits zehnjährige Aufführung des Musicals „Barbarella“. Eine durchgehende Handlung gibt es dagegen nicht. Für Unkundige der Vorlage: der französische Regisseur Roger Vadim drehte im Jahr 1968 einen Science-Fiction-Film nach der erfolgreichen Comicserie „Barbarella“, in der eine mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, tödlichen Waffen und einem zunehmenden Appetit auf Sex ausgestattete Raumfahrerin die Welt vor schrecklichen Bösewichtern rettet. Jane Fonda, später als Gegnerin des Vietnamkriegs auch zur politischen Ikone geronnene Schauspielerin, spielte damals die Hauptrolle.
Die Grundaussage der verderbten Welt und ihrer Rettung nehmen jetzt die Theatermacher von „copy&waste“ als Vorlage für einen gesellschaftspolitischen Rundumschlag, der wegen seiner Breite und fehlenden Fokussierung zu wohlfeilen Gemeinplätzen gerinnt. Die fehlende Ausrichtung auf ein Kernthema wird gleich zu Beginn augenfällig, wenn die Truppe in einem – übrigens viel zu langen – Fitnesskurs die üblichen gymnastischen Übungen vorführt. Man kann dies als Hinweis darauf verstehen, dass Theaterarbeit kraftraubend ist und die Darsteller sich fithalten müssen. Man kann es aber auch als eine Kritik am Fitnesswahn verstehen, wobei die in keiner Weise karikierte oder auch nur überspitzte Darstellung dieser Übungen jedoch gegen diese Absicht sprechen. Also bleibt die Frage, was diese Fitnessübungen, die obendrein während des Abends noch einmal auf die Bühne kommen, eigentlich sollen.
Nach diesen Übungen stellen sich die einzelnen Personen mit ihrem privaten und beruflichen Werdegang (als Schauspieler) vor, wobei – offenbar bewusst – offen bleibt, ob es sich um die fahrenden Schauspieler des Stücks oder um eben diese auf der Bühne stehenden Personen handelt, die das Stück spielen. Autor Jürgen Albrecht und/oder Regisseur Steffen Klewar spielen offensichtlich mit den verschiedenen Ebenen von Realität und Fiktion, ein zwar attraktives aber nicht neues Spiel des Theaters. Selbstreferentielle Texte üben stets einen ganz besonderen Reiz aus und bergen komisches Potential in sich.
So treten denn die Darsteller mal im Fitness-Dress und dann wieder im Kostüm des Barbarella-Themas auf und reden über ihre Rolle und ihre Befindlichkeiten speziell beim Spiel und allgemein in der Gesellschaft. Dabei verleiht ihnen die Tatsache einer zehnjährigen Tournee – fiktiv oder real? – zumindest subjektiv die Fähigkeit, die absurden gesellschaftlichen Tendenzen zu erkennen und auf den Punkt zu bringen. Auch das könnte zumindest gutes Kabarett ergeben, wenn es sich auf wesentliche Erkenntnisse oder Fehlentwicklungen konzentrieren würde, doch die Truppe will zuviel, sozusagen alle Probleme der Welt aufgreifen. Da kommen die afrikanischen Grenzen und das damit zusammenhängende Flüchtlingsproblem im selben Zeitraffertempo auf die Bühne wie die Globalisierung, der Kommunikationswahn, die kapitalistische Produktionsweise, das Karrieredenken, der Ehrgeiz allgemein und der – natürlich im rasanten Abbau befindliche – Sozialstaat. Wenn man daneben immer noch die Grundstrukturen der Barbarella-Geschichte aufrechterhalten will, bleiben pro Weltproblem halt nur ein paar markige Sätze, die zwar aus einem Leitartikel der FAZ stammen könnten (vielleicht ist es auch so), aber durch ihren Zitatcharakter zu Allgemeinplätzen werden. Philosophie und Weltpolitik im Schnellverfahren sozusagen. Das hört sich natürlich stets zündend an und findet auch immer wieder Klatscher, aber die Kritik ergibt sich nicht aus einer Handlung oder aus der psychologischen Entwicklung der agierenden Figuren, sondern kommt als Feststellung von Theaterdarstellern, die erkannt haben, wie die Welt läuft, und ihre Erkenntnisse dem intellektuell darbenden Volk aus ihrer erhöhten Warte kundtun. Stellt dieses Publikum jedoch den Anspruch selbst zu denken und sich nicht mit dem Status des aufzuklärenden Volkes zufriedenzugeben, dann wirken dieses Schnellbelehrungen eher hausbacken. Nett gemeint, aber ein wenig Schülertheater, womit wir nichts gegen letzteres sagen wollen. Auch Kalauer können sich die Theaterleute von „copy&waste“ nicht verkneifen: während der Wortdreher „positronisch vs. postironisch“ noch einen gewissen Witz versprüht, wirkt „Prora – ein Puppenheim“ eher etwas aufgesetzt und beruht nur auf einer Lautanalogie.
So geht es von Szene zu Szene weiter: mal komisch-bedrohliche Szenen aus „Barbarella“, mit aktualisierter Weltkritik gewürzt, dann wieder frontal und ziemlich statisch vorgetragene Erkenntnisse über das Leben in der Gruppe und in der Welt. Ein wenig Weltschmerz, ein wenig Larmoyanz, und viel vermeintliche und forsch zur Schau gestellte intellektuelle Unabhängigkeit. Man weiß nie, wieviel von dem vorgetragenen Text vorab schriftlich fixiert ist und von den Darstellern nur interpretiert wird. Bisweilen hat man nämlich den Eindruck, gewisse Sequenzen seien spontane Improvisationen der Schauspieler. Denn in solchen Momenten – man kennt das von „small talks“ – drängen sich die Gemeinplätze und die „sicheren Sottisen“ geradezu auf, seien sie nun stichhaltig oder nicht. Wie leicht entfleucht einem am Stammtisch der Ausspruch „die da oben machen doch, was sie wollen“, und alle nicken. Am nächsten Tag schämt man sich dann für diesen Leersatz. Einen ähnlichen Eindruck gewinnt man des Öfteren beim „Barbarellapark“, und man würde den Stückemachern wünschen, dass sie eine so geäußerte Kritik an einem stringenten Handlungsfaden festmachen würden und nicht einfach verlautbaren würden.
Wenn am Ende die Crew mit Barbarellas Raumschiff entfleuchen will und Schiffbruch erleidet, wobei die beiden Rettungsboote herausfallen, wirkt das ungewollt wie eine Kurzkritik an der Inszenierung: mit viel Dampf gestartet und kurz danach abgeschmiert.
Die Darsteller bemühen sich darum, dem Stück Leben einzuhauchen, und in einigen Szenen gelingt ihnen das auch. Doch außer einem gewissen Unterhaltungswert, der sich auch aus den Videos und Lichtspielen ergibt, können sie dem Stück wegen seiner Beliebigkeit keine besonderen Akzente verleihen, die sich dem Gedächtnis einbrennen würden.
Das Stück wird am 30. mit Einführung und Publikumsgespräch und 31. Januar mit Einführung wiederholt.
Frank Raudszus
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