Lachen über die Lebensmitte in den Wühlmäusen
„Wer ist über 30 und unter 70? Ah, fast alle! Herzlich willkommen in der Lebensmitte zwischen Teenager und Renter.“ Mark Britton hat sich an der für Manchen endlosen Lebenswirklichkeit des breiten Altersbandes von Kinder bekommen, großziehen, ausziehen lassen, Midlife Crisis und beginnende körperlich Anfälligkeit ausgerichtet. Ein breites Spektrum an Themen, das durch sein Eintauchen in die Lebenssequenzen herrlich im Detail begeistert, zum herzhaften Lachen reizt und dabei einen unglaublich breiten Anklang findet, da die Themen eben aus dem normalen Alltag entspringen. Es beginnt mit der Begeisterung frisch gebackener Eltern, die bei jedem Ton und Grimasse ihrer Zwerge hyperventilieren und minütlich Videosequenzen an den gesamten Verwandten- und Freundeskreis versenden. Es sind diese Eltern, die auf Brittons Nachfrage die Hände in die Luft schießen lassen, hektisch schnippsen und laut „hier, hier, hier“ rufen. Wer sind hingegen Väter und Mütter, wo die Hände nur etwa auf Kopfhöhe verweilen und schüchtern ein Winken andeuten, wobei das Gesicht resigniert dreinblickt und der Mund skeptisch schmatzt? Ja, das sind die Eltern von Teenagern, die in einer Selbsthilfegruppe anonymer Alkoholiker nicht mehr ausfindig zu machen wären.
Marc Britton setzt bei seiner Comedy zudem dem auf vollen Körpereinsatz. Es gibt ja durchaus verschiedene Konzepte der Stand-up Comedy. Oft sind jüngere Comedians, die ebenso das sub-35er Publikum ansprechen, eher statisch am Mikrophon festgefroren und arbeiten fast ausschließlich mit Sprache und Nicht-Sprache, also Pausen. Möglicherweise wird dies angereichert mit ein wenig Mimik. Dafür ist der Inhalt sehr viel provokanter, exzessiv und ausgesprochen niveau-flexibel. Mark Britton hingegen ist inhaltlich nahezu jugendfrei, wenn man das so formulieren möchte, und kitzelt das Lachen seiner Zuhörer eben auch mit schauspielerischer Kunst hervor. So empfiehlt der Arzt, wie wir alle wissen, das Schwimmen als besonders gesunden Sport – viel besser als das für die Knie zerstörerische Joggen oder gar dieser Marathonirrsinn. So berichtet Britton also aus der Schwimmhalle, sich selber darstellend als den konventionellen Schwimmer mit Kopf über Wasser und regelmäßigen Zügen. Bahnen kreuzend, umhertreibend zeichnet er mimisch das Bild der Wasserschildkröten, die leicht paddelnd geistesabwesend umherschauen und trotz der Nichtexistenz von Kiemen auf regelmäßige Mundöffnung zur Atmung setzten. Schleichend macht sich ein rhythmisches Geräusch mehr und mehr bemerkbar. Die Herkunft ist zuerst nicht zu lokalisieren. Als es dann zu lautem Wasserschlagen und Schnauben anschwillt, berichtet und spielt Britton sein ängstliches Kopfdrehen, wo er die Gefahr nun erahnt. Hinter einer schäumenden Bugwelle, die er nun auf sich zurasen sieht, erkennt er einen mit Gummimütze bedeckten Kopf und eine schwarzverspiegelte Schwimmbrille, wodurch ihn dennoch die vom Jagdtrieb geweitet Pupillen anzustarren scheinen. Die Arme rotieren in sekündlichen Schlägen im Butterflymodus und treiben den Bahnenschwimmer mit unaufhaltsamer Macht nach vorne. Die einzige Fluchtmöglichkeit scheint nun das Totstellen – ausatmen und wie ein Stein auf den Beckenboden absinken lassen.
Charmant ist auch Mark Brittons Sprache. Er hat eben als geborener Brite den Akzent behalten oder kann ihn zumindest sehr gut replizieren. Es drängt sich ein wenig der Verdacht auf, er könne auch akzentfrei sprechen, wenn in einem Moment der Unachtsamkeit ein Wort hochdeutsch herauspurzelt. Aber natürlich lieben wir alle seinen Akzent, und es gibt der Show den Twist des Exotischen, wenn eben ein Engländer Comedy in Deutsch über Deutsche macht. So erzählt er, dass er eigentlich kein Engländer sei, denn er sei dort nur geboren und schon sehr früh nach Deutschland und hier eben nach Köln gekommen. Dort habe er auch seine Frau kennengelernt und mehr und mehr die deutsche Lebensweise übernommen. So lege er heute im Urlaub bereits auch vor dem Frühstück die Handtücher auf die Liegen. Aber das müsse man ja auch wörtlich „wegen der Scheiß-Engländer“. Hierbei geht er noch kurz auf die kulturellen Unterschiede zwischen Engländern und Deutschen ein. Beispielsweise seien bei der Hochzeit mit seiner Frau leider nur ihre Familie anwesend gewesen. In England gab es an dem Tag ein Pferderennen. Als sie dann vor dem Altar standen und der Priester ihm nach dem Trauungsakt die Erlaubnis gegeben habe, die Braut zu küsse, sei er kurz verwirrt gewesen. So sei es wohl englischer Brauch, als Mann den Kopf zu neigen und die Braut zuerst auf die Backe zu küssen. Dabei sei es durch die Kopfdrehungen zu einem Schlag auf seine Nase gekommen, wodurch das Blut heraus schoss und ihr blütenweißes Kleid besprenkelte. Zuerst die Braut „Oh Gott!“, dann der Priester „Oh Gott!“ und schließlich die gesamte Familienschaar „Oh mein Gott!“. Er habe versucht dies mit folgendem Witz zu retten: „Sie war wohl noch Jungfrau“. Außer ihm habe aber niemand gelacht.
Malte Raudszus
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