Nach Nordwesten zwischen Abaco und den Cays entlang
An diesem Morgen herrscht das ideale Segelwetter: Sonnenschein und etwa 3 bis 4 Bf Windstärke aus östlicher Richtung, da der Nordost-Passat sich hier deutlich bemerkbar macht. Die Bootsübernahme erfolgt erfreulich schnell und unkompliziert. Dabei geht es vor allem um die seemännisch wichtige Ausrüstung und weniger um die Zahl der Messer und Gabeln. Wegen eines auf diesen Tag fallenden Geburtstages eines Crewmitgliedes dehnt sich der Vormittag noch etwas um einen Spaziergang und ein Hotelfrühstück in die Länge, bevor wir gegen Mittag endlich die Leinen loswerfen.
Die Ausfahrt aus Marsh Harbour ist nicht trivial. Die Wassertiefe beträgt im Fahrwasser zwischen neun und zehn Fuß, aber außerhalb wird es schnell flacher. Außerdem ankern zahlreiche Yachten in dem geschützten Hafen, so dass das Auslaufen ein wenig zum Slalomlauf wird, bei dem man auch schon einmal nach links und rechts aufmerksam auf den Grund schaut. Schließlich könnten die Ankerlieger ja auch Kimmkieler sein….
Da unser erstes Ziel, die Cay „Man-o-War“, nur acht Meilen nördlich liegt und direkt ansteuerbar ist, gewöhnen wir uns mit ein paar längeren Kreuzschlägen ein wenig an das Revier und das flache Wasser, ehe wir den geschützten Ankergrund von Man-o-War anlaufen. Das Handbuch sagt, man solle die enge Einfahrt genau in der Mitte durchfahren, dazu eine Deckpeilung zur Hilfe nehmen und auf keinen Fall bei Gegenverkehr einlaufen. Beim Einlaufen zeigt sich die Berechtigung dieses Hinweises, denn jetzt, bei Hochwasser, haben wir gerade einmal acht Fuß – zweieinhalb Meter – Wassertiefe, das heißt einen Meter Wasser unter dem Kiel, und das auch nur in der Mitte der Einfahrt.
Wie in den meisten Buchten der Cays von Abaco stehen genügend Moorings zur Verfügung. Allerdings sollte man auch hier ein wenig Acht geben. Der die Liegegebühr von zwanzig Dollar kassierende „Hafenmeister“, der selbst auf einem geräumigen Motorboot an der Mooring lebt, lotst uns von der anfangs ausgewählten Mooring an eine andere, weil wir sonst bei Niedrigwasser trockengefallen wären. Mooring ist nicht gleich Mooring!
Man-o-War ist ein langes, schmales Band aus Strand und Dünen, das hauptsächlich von Ferienhäusern besiedelt ist. Ein einziges Restaurant, das aber sonntags geschlossen hat, und konsequente „Trockenheit“ in Sachen Alkohol locken die Segler nicht gerade in Scharen an Land. Aber ein Spaziergang entlang des Atlantikstrands lohnt sich immer. Und weiter im Nordwesten liegt noch eine schöne Ankerbucht an der schmalsten Stelle der Insel, wo diese gerade einmal zwanzig Meter breit ist. Man kann sozusagen in Badehose zwischen Nord- und Südstrand wechseln.
Der nächste Morgen treibt uns wegen der Tide bereits um sieben aus unser Bucht und in die besagte Ankerbucht, wo wir ein Frühstück und die Badefreuden im türkisfarbenenen Wasser genießen. Dann geht es mit raumem Wind mit Bf. 4 zur nächsten Cay weiter. An Steuerbord passieren wir die Durchfahrt durch die Riffe in den Atlantik, dann geht es weiter, vorbei an Scotland Cay zur „Great Guana Cay“, wo am nordwestlichen Ende angeblich die schönsten Schnorchelgründe locken. An der äußersten Spitze werfen wir den Anker und versuchen unser Glück als Schnorchler. Doch rings um eine kleine, vorgelagerte Insel gibt es keine Korallenriffe, und eine Fahrt mit dem Dinghi hinaus zu den Riffen vor der Atlantikseite der Cay führt zwar zu attraktiven Schnorchelgründen, doch die Dünung ist zu hoch, um dort das Dinghi sicher zu vertäuen und – vor allem – um ungefährdet zwischen den Riffen herumzuschnorcheln. Ein kurzer Blick auf die Fischvielfalt muss genügen, dann geht es zurück an Bord.
Bei der „Bakers Bay“ im Süden der Cay-Spitze gibt es eine moderne Marina, Überbleibsel eines riesigen Tourismuskomplexes, der früher vor allem von Kreuzfahrtschiffen angelaufen wurde. Man kann noch heute den Kanal bestaunen, der damals extra für diese großen Schiffe ausgebaggert worden war. Doch da der Kanal im Winter immer wieder versandete, hat man den Ankerplatz für Kreuzfahrtschiffe aufgegeben und Great Guana Cay wieder zu einem beschaulichen Dasein verholfen. Welch ein Glück, denn man kann nur mit Grausen ahnen, wie es hier mit einem oder gar mehreren dieser schwimmenden Massenhotels zugehen würde.
Da uns die Marina zu unpersönlich – und zu teuer – erscheint, geht es am Nachmittag zurück zu „Settlement Harbour“, einer gut geschützten Ankerbucht mit Marina im südlichen Teil der Insel. Dort liegt auch das berühmte „Nipper´s“, dessen Ruf uns bereits in Marsh Harbour erreicht hatte. „Nipper´s“ ist ein außergewöhnliches Restaurant auf der Dünenkuppe, dessen Hauptattraktionen die offene Bar mit Atlantikblick und die gehaltvollen Drinks sind. „Nipper´s“ scheint ein „Must“ für alle Segler zu sein, die in diesen Gewässern unterwegs sind. So begeben also auch wir uns nach dem Festmachen und Aufklaren des Bootes mit dem Dinghi an Land, um „Nipper´s“ kennenzulernen. Das Lokal besteht aus rustikalen Möbeln, die teilweise selbstgezimmert wirken, und ist in den typischen Abaco-Farben gestrichen: Altrosa und Türkis. Man versteht sofort, dass sich dieses Lokal – vor allem die Bar – binnen kurzer Zeit zu einem Kultobjekt der nördlichen Bahamas entwickelt hat. Auch wir werden hier nicht nur Sylvester feiern – mit großem Feuerwerk am Strand -, sondern auch später auf dem Rückweg hier wieder Station machen.
Nach dem Jahreswechsel, den wir – wie gesagt – im „Nipper´s“ verbracht haben, geht es an Neujahr weiter nach Nordwesten. Dazu müssen wir eine Strecke offenen Wassers ohne den Seegangschutz vorgelagerter Cays überqueren. Die Dünung steht hier hoch in das flache Wasser hinein, und ein rostbraunes Wrack an den Felsen einer kleinen Cay an Steuerbord zeigt, dass hier auch heute noch Schiffe stranden können. Eine angenehme Fahrt mit achterlichen Winden führt uns auf Zickzack-Kurven um diverse Untiefen herum zur idyllischen „No Name Cay“, auf der sich wilde Hausschweine eingerichtet haben und sich als touristische Attraktionen sehr wohlfühlen. Die Cay ist gesäumt von einem fast schneeweißen, unberührten Sandstrand, denn sie ist unbewohnt. Keine Häuser, keine Golf-Carts – das typische Beförderungsmittel auf den Cays -, keine Piers und Anleger. Reine Natur.
Da man sich hier aber nicht versorgen kann und außerdem auch nicht sehr komfortabel über Nacht liegt, gehen wir wieder ankerauf Richtung „Green Turtle Cay“ nur wenige Seemeilen weiter nordwestlich. Dort werfen wir vor New Plymouth, der einzigen Ortschaft auf der Cay, gegen 16:30 Uhr Anker. Die erste Landfahrt gilt einem Restaurant, denn am Neujahrstag werden wir kaum einen offenen Laden finden. Direkt am Ufer stoßen wir auf das „Sundowner“, ein ausgesprochen bodenständiges Restaurant mit Terrasse zum Sonnenuntergang – daher der Name -, einer knuffigen Bar, einem Billardtisch und einer Dartscheibe. Hier treffen sich alle, die nicht wissen, wie sie sonst den Abend verbringen sollen. Bier und Cocktails fließen hier in Strömen, und die Bar ziert so manch verwittertes Aussteigergesicht.
Zuerst einmal erkunden wir jedoch den Ort. Er besteht aus kleinen Holzhäusern in den typischen Pastellfarben (s. o.), einem Hafen, der für größere Yachten zu flach ist, einer Kirche und zwei oder drei Läden, in denen sich die Einheimischen mit den nötigsten Dingen eindecken. Da es hier außer Golf-Carts kaum Autos gibt, fühlt man sich um ein Jahrhundert zurückversetzt. Die Idylle ist so unwirklich, dass man sich auch in einem künstlichen Disney-Ort wähnen könnte. Aber dies ist alles echt!
An der Bar des „Sundowner“, zu dem wir wegen des Abendessens zurückkehren, lernen wir ein amerikanisches Ehepaar kennen. Er ist IT-Spezialist und entwickelt für verschiedene Kunden in seinem „Home Office“ in den Bahamas Software. Das scheint gut zu klappen und nicht die schlechteste Art zu sein, Beruf und Freizeit zu verbinden. Allerdings muss man sich darauf einstellen, dass es hier außer dem „Sundowner“ keine weitere Gastronomie gibt, so dass die beiden jeden zweiten Abend hier verbringen. Doch nicht ganz so verlockend!
Über dieses Ehepaar erhalten wir auch den Kontakt zu einem professionellen Tauch- und Schnorchelveranstalter, der täglich mit Gästen hinaus ans Riff fährt. Und so düsen wir am nächsten Morgen per Dinghi zu dem nördlichen Hafen, der sich vor allem durch seine enge und flache Einfahrt auszeichnet und den wir deshalb mit unserem Schiff vermieden haben. Brendal, der Inhaber und Reiseleiter, ist ein sehr attraktiver und sich dessen bewusster Einheimischer, der nach dem Auslaufen den Damen gerne seinen Musterkörper im knappen Badehöschen zeigt und die Gäste mit diversen Witzchen unterhält. Bevor die Taucher und Schnorchler am Riff ins Wasser gehen, beruhigt er die Damen an Bord mit der Bemerkung „Don´t worry, ladies, sharks are man eaters – and they don´t like black skin!“. Also springen die Männer mit Todesverachtung als erste ins Meer.
Nach dem wider Erwarten alle das Tauchen und Schnorcheln lebend überstanden haben – die Haie waren ca. eineinhalb Meter lang und völlig desinteressiert -, geht es an einen idyllischen, einsamen Strand zum „seafood picknick“ mit verschiedenen Salaten und gegrilltem Lobster. Es gibt wahrhaft Schlimmeres! Nach der Rückkehr in die Marina geht es zurück an Bord und dann erst einmal nach New Plymouth, um einzukaufen. Allerdings ist das Angebot ziemlich dünn, da die Fähre nur einmal in der Woche kommt und am Tage davor die große Leere in Regalen und Kühltruhen herrscht. Wir nehmen das, was da ist, und machen uns damit einen netten kulinarischen Abend an Bord.
Am nächsten Morgen weckt uns der Wind gegen sieben Uhr mit Heulen und Pfeifen. Ein rascher Blick nach draußen zeigt nicht nur, dass es kräftig aufgebrist hat und dicke Regenböen über die See jagen, sondern dass wir jetzt auf Leegerwall liegen, d. h. in Luv der Küste. Da es hier ziemlich ungemütlich wird, lichten wir kurzentschlossen den Anker und gehen durch die enge Fahrrinne in den geschützten nördlichen Hafen. Und siehe da, die Fahrrine ist tiefer als die Karte ausweist, so dass wir nach einer halben Stunde sicher an einer Mooring liegen und der Wind uns nichts mehr anhaben kann. Jetzt heißt es erst einmal in Ruhe frühstücken. Den Rest des Tages verbringen wir wegen des ungemütlichen Wetters mit einem Spaziergang und später mit einem Abstecher zur nächsten Insel, da sich Wind und Regen am späten Vormittag gelegt haben. Da die angeblich im „Turtle Creek“ anzutreffenden Schildkröten sich aber partout nicht zeigen wollen, geht es am Nachmittag zurück in den Hafen.
Da die weiteren Cays im Nordwesten kaum oder gar nicht bewohnt sind und auch über keine Infrsatruktur verfügen, beschließen wir, am nächsten Tag umzukehren und noch einmal die Cays östlich von Marsh Harbour kennenzulernen. Hoffentlich bläst es morgen nicht gerade aus Südost, denn da wollen wir hin!
Frank Raudszus
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