Das Staatstheater Darmstadt präsentiert die musikalische Dylan-Biographie „Dylan – the times are a-changing´“
Bob Dylan, geboren 1941, ist zur wohl bedeutendsten Ikone und Kultfigur der Pop-Musik geworden und hat sich – mit wechselndem Erfolg und Krisenunterbrechungen – bis heute in den Charts gehalten. Seine wechselvolle musikalische Karriere mit verschiedenen musikalischen Brüchen und Neuorientierungen hat ihn einem breiten Publikum bekannt gemacht, ihm neben treuen Fans jedoch auch viele Gegner – vor allem ehemalige Fans – verschafft.
Heiner Kondschak, seines Zeichens Musiker, Komponist und Regisseur, hat bereits mehrere erfolgreiche musikalische Revuen und Biographien verfasst. So lag es nahe, auch dem Idol Bob Dylan noch zu dessen Lebzeiten ein musikalisches Denkmal zu setzen. Dabei zeigt Kondschak nicht nur die sympathische Eigenschaft, selbst in der Bühnenband dieser Revue mitzuspielen, sondern auch in aller Bescheidenheit zurückzutreten und sich als einfacher Mitspieler zu tarnen. Wer ihn nicht kennt, hält ihn für ein Überbleibsel der Hippie-Ära – Bart und lange Haare -, der hier mitspielen darf und anderen den großen Auftritt gönnt.
Man könnte diese Dylan-Show als Musical bezeichnen, fasst sie doch Instrumentalmusik, Sketches und Songs zusammen und entwickelt auf der Bühne eine zusammenhängende Geschichte mit allen Zutaten des heutigen Musiktheaters. Kondschak lässt dabei nicht nur Bob Dylans Musik wieder aufleben, er zeigt auch den Menschen hinter seiner Musik, sein persönliches Umfeld und den politisch-gesellschaftlichen Kontext seiner Zeit. Dabei unterstützen ihn neben seiner Band – er selbst an sechs Instrumenten, Cordula Hamacher (Saxophone, Flöte), Hans Reffert (E-Gitarre), Chris Linder (Bass) und Ralf Schmith (Schlagzeug) – Florian Hertweck als Bob Dylan, Hagen von der Lieth als Erzähler und in verschiedenen Rollen, Klaus Cofalka-Adami in über einem Dutzend Rollen sowie Monika Wiedemer und Anna-Magdalene Beetz, beide Geigenspielerinnen und in verschiedenen Rollen agierend.
Kondschak hält sich in seiner Revue eng an die tatsächliche Biographie Bob Dylans, soweit sie gesichert – und in Wikipedia nachzulesen ist. Die Einschränkung ist wichtig, da Dylan selbst stets sehr sparsam mit Ausführungen zu seinem Privatleben war und die Öffentlichkeit oft durch bewusst irreführende und teilweise surreale Äußerungen verwirrte. Wie in einem so extremen Künstlerleben nicht anders zu erwarten, war Dylan mehrere Male verheiratet und hat aus jeder diese Ehen Kinder, die teilweise selbst wieder in die Musikbranche eingestiegen sind.
Die Revue beginnt mit dem Besuch des 19jährigen Bob Dylan, der damals noch seinen bürgerlichen Namen Robert Zimmermann führte, am Krankenbett des großen Folksängers Woodie Guthrie, der ihm dringend rät, eigene Songs zu schreiben. Dann geht es durch die wechselvollen sechziger Jahre mit schnellem Erfolg und problematischen persönlichen Beziehungen. Dazu lässt Kondschak die politischen Ereignisse Revue passieren. Gerade noch hat Bob Dylan auf einer Tournee großen Erfolg geerntet, da sieht man Kennedy und Chrutschtschow in der Kuba-krise von 1962 über zwei rote Telefone in letzter Sekunde den Dritten Weltkrieg verhindern, wobei vor allem der sowjetische Machthaber als Wodka saufender Zocker dargestellt wird. Doch solche vereinfachenden historischen Darstellungen sind in einer Revue durchaus erlaubt und erfüllen ihren Zweck, das Publikum zu belustigen. Etwas anderes ist es mit den Attentaten auf Kennedy – Monika Wiedemer mit rosa Kostüm und Hut – und Martin Luther King, deren Sterben mit Schüssen auf der Pauke sowie Slapstickeinlagen der Darsteller nachgestellt wird und die Grenzen der Pietät streift. Aber der schnelle Gang der musikalischen wie politischen Ereignisse lässt schnell Gras über diese Episoden wachsen. Die Mondlandung der Amerikaner – „a giant leap for mankind“ – kommt spektakulär und witzig auf die Bühne, die letzten US-Soldaten verlassen fluchtartig Saison, und Nixons „Watergate“ wird passend mit einer sehr bekannten Musik der damaligen Zeit unterlegt.
So geht es in furiosem Tempo im Slalom durch Bob Dylans privates und musikalisches Leben wie durch die Weltgeschichte der letzten fünfzig Jahre. Bob Dylans verschiedene musikalische Phasen, Krisen und Comebacks finden ihren Niederschlag nicht nur in schnellen Sketches mit humoristischem, kritischem und philosophischem Einschlag sondern vor allem in der Musik. Florian Hertweck sieht dem großen Idol nicht nur sehr ähnlich, er spielt auch gut Gitarre und Mundharmonika, und seiner Stimme verleiht er das unverwechselbare, leicht näselnde Timbre seines Vorbilds. Auch aus seinem Mund klingen die berühmten Songs wie „The times are a-changing“, „Blowing in the wind“ und „Don´t think twice“ so echt, dass man noch heute ihren Erfolg nachvollziehen kann. Die Sehnsucht nach Veränderung und der Protest gegen eine erstarrte Gesellschaft, gegen die Rassentrennung und die militaristische Politik der Regierung klingt jederzeit authentisch.
Mit ihm zusammen treten abwechselnd Klaus Cofala-Adami in jeweils aktuellen Rollen sowie Monika Wiedemer und Anna-Magdalena Beetz als die diversen Freundinnen und Freundinnen Bob Dylans, als Journalistinnen und in anderen Rollen auf, um dessen unruhiges Leben in kurzen Szenen zu bebildern. Die Band intoniert überzeugend und mit viel Wucht die Wandlung vom „unplugged“ Folksänger zum Rocksänger mit E-Gitarre und lautstarker Band. Dabei liefern die Musiker kurz vor der Pause eine weit ausladende Darbietung kompromissloser Rockmusik, die so manches Ohr allein schon wegen der Länge strapaziert haben dürfte. Dabei erhält und nutzt Hans Reffert die Gelegenheit zu einem wilden Gitarrensolo, und auch die anderen Bandmitglieder beteiligen sich daran mit expressivem Spiel. Für Freunde dieser Musik ist allein schon dieser Teil Grund genug, das Konzert zu besuchen. Dazwischen präsentiert dann Florian Hertweck immer wieder die verschiedenen Songs Bob Dylans: nach den kritisch-puristischen Folk Songs die harten Rock Songs, dann die christlichen Erhebungsgesänge aus Dylans religiöser Phase. Dabei darf natürlich das berühmte „Knocking on heaven´s door“ nicht fehlen.
Eine sehr bühnenwirksame Episode bilden die alkoholischen Exzessen des Künstlers, die ihn volltrunken auf die Bühne torkeln, dort seine Songs hinauslallen und schließlich den Text vergessen lassen. Hertweck bringt das als Slapstick-Einlage auf die Bühne, doch dem Publikum bleibt angesichts der Peinlichkeit und der Tristesse dieser gut gespielten Szene das Lachen im Halse stecken.
Bis zum Schluss lässt das Tempo nicht nach, und das szenische Spiel wechselt sich gut ausbalanciert mit den Musiknummern ab. Im Psychogramm Bob Dylans kommen alle Aspekte zum Tragen: neben der Lust am Singen auch die Egomanie, die Distanz zur Öffentlichkeit, die Antipathie gegenüber der Presse, die erratischen Äußerungen, die Desorientierung, die Drogensucht und die Sehnsucht nach Privatem. Bob Dylan wird sichtbar als Mensch mit großen Gaben, der an Erfolg und Ruhm fast gescheitert wäre, sich aber immer wieder neu erfunden hat.
Das Publikum war begeistert und erklatschte sich noch mehrere Zugaben bekannter Lieder, bevor sich die erschöpften Musiker endlich zurückziehen konnten. Wer an dieser Ära der Musikgeschichte interessiert ist, sollte sich die Revue unbedingt ansehen.
Weitere Aufführungen am 15., und 19. Februar sowie am 2., 23., 26. und 30. März.
Frank Raudszus
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