Gedanken und Aphorismen über die richtige Art zu leben
Der brasilianische Autor Paulo Coelho veröffentlicht seit zwanzig Jahren in verschiedenen heimischen Tageszeitungen Kolumnen, in denen er neben fernöstlichen “Meister-Schüler”-Geschichten auch Aphorismen und Lebensweisheiten verarbeitet. In em vorliegenden Hörbuch trägt Sprecher Sven Görtz diese Gedanken als steten Strom der Lebenshilfe vor.
Der “Wanderer” ist dabei die Metapher des Menschen, der fragend durch das Leben wandert und aus seinen Erfahrungen Fragen zum richtigen Leben formuliert. Dabei trifft dieser Wanderer stets von Neuem auf den “Meister”, der ihm auf alle Fragen eine treffende, doch im ersten Moment paradox erscheinende Antwort gibt. Dabei nimmt der Wanderer in Coelhos Geschichten stets die Rolle eines naiven, an hergebrachten Vorstellungen hängenden Menschen an, den der Meister erst einmal auf das Nächstliegende stoßen muss, damit er das ferner liegende Ziel überhaupt sehen und verfolgen kann.
Eine Geschichte sei hier nur stellvertretend aufgeführt: der eifrige Schüler fragt den Meister, wie er zur Erleuchtung komme. Als ihn dieser nach seinem Unterhalt fragt, antwortet er ihm, er werde noch von seinen Eltern unterstützt, sehe das aber als irrelevant angesichts der großen Weltfrage an. Doch der Meister macht ihm klar, dass nur ein Mensch, der für sich alleine sorgen könne, dem Sinn des Lebens nahekommen könne.
In dieser Art verlaufen viele der kleinen Lehrstücke, etwa das von dem eifrigen Schüler, der fast alle Besitztümer weggegeben hat und nur wenige für die elementaren Bedürfnisse behalten hat. Mit einer geradezu blutigen Metapher führt ihm der Meister vor Augen, dass man ALLES aufgeben müsse, wenn man neu anfangen wolle.
Die meisten dieser Bilder und Aphorismen beziehen sich auf den menschlichen Alltag und betreffen den Mut, unkonventionelle Wege zu gehen, alte Pfade zu verlassen und vor allem nie aufzugeben. Dabei drehen sich die Fragen der Schüler selten oder nie um praktische Fragen des Alltags, sondern es nie um Geringeres als den Sinn des Lebens und den eigenen Weg zur Erkenntnis. So triviale Probleme wie das Zusammenleben der Geschlechter oder die Bewältigung familiärer oder gar finanzieller Probleme stehen nie zur Debatte. Alle Lehrstücke sind zwar unmittelbar verständlich, aber auch seltsam abstrakt und vom Alltag des Durchschnittsmenschen entrückt.
Man kann jede einzelne dieser Lebensweisheiten und Ermunterungen nicht nur verstehen sondern auch durchaus unterschreiben. Insofern treffen sie schon den Nerv der Zeit – oder besser gesagt: den Nerv einer zeitlosen Befindlichkeit des Menschen. Doch die kompakte Aneinanderreihung derart vieler ähnlicher Weisheiten erzeugt eine Atmosphäre oberlehrerhafter Besserwisserei, die des Öfteren gerade wegen der lebensanschaulichen Korrektheit an Selbstgerechtigkeit grenzt. Sven Görtz trägt all diese Aphorismen mit einem sonoren Ernst vor, der im Einzelfall genau den richtigen Ton trifft, aber durch die Menge der Lehrgeschichten schließlich ebenfalls zu der erwähnten Atmosphäre beiträgt.
Wer gerne solche belehrenden Geschichten hört und sich an dem milde erhobenen Zeigefinger des Rechtdenkenden nicht stört, kann aus diesem Hörbuch durchaus seinen Gewinn ziehen.
Das Hörbuch “Der Wanderer” ist im Diogenes-Verlag unter der ISBN 978-3-257-80308-2 erschienen, dauert 65 Minuten und kostet 14,90 €.
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