Die Kunsthalle Schirn präsentiert in der Ausstellung „Roni Horn. Portrait of an Image“ ein Fotostrecke von Isabelle Huppert

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Die Kunsthalle Schirn präsentiert in der Ausstellung „Roni Horn. Portrait of an Image“ ein Fotostrecke von Isabelle Huppert

Die US-amerikanische Künstlerin Roni Horn (*1955) beschäftigt sich seit langem mit der Frage der Identität. Die naive Annahme, dass der Mensch oder die Dinge stets mit sich identisch blieben, hat sie längst hinter sich gelassen. Schon der bloße Ablauf der Zeit ändert die Identität von Menschen und Objekten, und wenn nur durch die Veränderung der Umwelt. Doch auch die persönlichen Lebensläufe hinterlassen ihre Spuren in der Identität eines Menschen und verändern sie quasi permanent. Roni Horn ist selbst eine Paradebeispiel einer vexierhaften Identität. Die von ihr vorliegenden Fotos weisen einen ungreifbaren androgynen Charakter auf. Ob dies auf eine „ursprüngliche“ Identität oder auf eine mehr oder minder bewusste Selbstdarstellung zurückzuführen ist, muss dabei offen bleiben.

Drei aus fünf: Isabelle HuppertDas Problem der Identität hat sie in der Vergangenheit unter anderem mit vergleichenden Fotoreihen ihrer eigenen Nichte verarbeitet, bei denen sie jedes einzelne Portrait im Abstand weniger Sekunden zweimal aufnahm. Dabei entstanden zwei „persönliche Panoramen“ des jungen Mädchens innerhalb einer ganz kurzen Zeitdistanz. Das Entscheidende ist für Roni Horn dabei stets die „Differenz“ zwischen zwei bildlichen Darstellungen eines Objekts – vorzugsweise eines Menschen -, die dadurch zwangsläufig auftreten. Eine durch Änderungen des Raumes bedingte Änderung – Umgebung, Beleuchtung – ist dabei auf externe Bedingungen zurückzuführen und damit nahezu trivial. Ähnliches, wenn auch abgeschwächt, gilt aufgrund der natürlichen Alterungsprozesse für die Differenz durch größere Zeiträume. Spannend wird das Identitätsspiel erst bei sehr kleinen Zeitunterschieden. Hier spiegelt sich in der Differenz das ständige, fast wellenförmige Changieren einer individuellen Identität wider. Befindlichkeiten können sich im Sekundentakt ändern, oftmals fast unbemerkt vom Individuum. Die Kunst der Fotografin liegt darin, diese Differenz sichtbar zu machen, jedoch ohne das Objekt zu manipulieren oder gar optisch zu vergewaltigen.

Die Ausstellung in der Kunsthatte Schirn besteht ausschließlich aus Portraits der französischen Schauspieelrin Isabelle Huppert. In dem Anschreiben Roni Horns an die Schauspielerin betont sie, dass gerade ihre Verweigerung des Ikonenstatus´ – im Gegensatz zum Beispiel zu Marilyn Monroe – sie für die Künstlerin als Objekt attraktiv gemacht habe. Diesen speziellen Charakter der Isabelle Huppert mag so mancher Cinéast unterschreiben und unterliegt dabei einem Irrtum – ebenso wie Roni Horn. Gerade ihre Bescheidenheit und Abwehr des Ikonenhaften hat sie für Kenner der Filmbranche zur Ikone werden lassen. Die „Stars“ der Medienbranche können so oder so diesem Status nicht entrinnen, eine Tatsache, die eine eigene Untersuchung (oder Ausstellung) rechtfertigen würde.
Roni Horn hat von Isabelle Huppert jeweils fünf Aufnahmen in kürzesten Zeitabständen geschossen, etwa während einer typischen Kopfbewegung oder einer Mimik, die sich meistens in wenigen Sekunden abspielen. Von Foto zu Foto weichen die Bilder bisweilen nur um winzige Details in der Lippenbewegung, dem Augenaufschlag, dem Spiel der Nasenlöcher oder dem Fall des Haares ab. Und doch ändert sich der gesamte Gesichtsausdruck bei längerer Betrachtung auf fast magische Weise. Dabei schaut die Portraitierte unverwandt entweder dem Betrachter in die Augen oder etwas seitlich an ihm vorbei. Die letzteren Bilder haben durch dieses scheinbare Wegschauen dann oft einen leicht melancholischen Ausdruck.  Bisweilen sind einzelne Fotos dieser Fünfer-Reihen wie „Ausreißer“ mit anderer Blickrichtung oder Kopfhaltung eingefügt und wirken dadurch wie Ausrufezeichen.

Alle Fotos sind unter der Voraussetzung der „Nacktheit“ entstanden, das heißt ohne jegliches Schminken der Augen, des Mundes oder der Haut. Dieser Verzicht auf „Verschönerung“ und auf das Kaschieren auch kleinster Unregelmäßigkeiten verdeutlichen die Verletzbarkeit des Modells und verleihen den Fotos hohe menschliche Authentizität.

Die Fünfer-Gruppen sind in den beiden Rotunden der Schirn ringsum aufgehängt. Damit befindet sich der Betrachter inmitten eines geschlossenen Kreises ihn betrachtender Gesichter. Diese Anordnung dreht die übliche Konstellation zwischen Betrachter und Betrachtetem um und vermittelt schließlich Ersterem das Gefühl, selbst zu Ausstellungsobjekt gemacht zu werden. Wenn man dann näher an die Fotosd herantritt, verflüchtigt sich dieser Eindruck, und der Besucher wir wieder zum Betrachter. Dann aber muss er sich in der seltsamen Situation zurrechtfinden, die diese fünffach auf oder driekt neben ihn gerichteten, unverstellten Gesichter mit den unterschiedlichsten Ausdrucksvarianten herstellen. Je länger man diese Bilder anschaut, desto undurchdringlicher und rätselhafter werden sie.

Begleitend zu Ausstellung werden einzelne dieser Fotos in der Frankfurter Innenstadt – an Bahnhöfen, an Brücken, an Plakatwändern, in U-Bahnen und an anderen Orten – ohne Kommentar oder Beschreibung gehängt. Gerade die ständige Präsenz dieses Gesichts an den unterschiedlichsten Orten soll die Aufmerksamkeit der Passanten wecken und sie durch die Irritation zum Nachdenken veranlassen. Die Ausstellung „Roni Horn. Portrait of an Image“ ist vom 12. Dezember bis zum 26. Januar 2014 dienstags sowie freitags bis sonntags von 10 bis 19 Uhr, mittwochs und donnerstags von 10 bis 22 Uhr geöffnet.

Frank Raudszus

 

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