Dienstag, den 16. Oktober 2012:
Auf in den Krüger Nationalpark
Das erste große Ziel unserer Reise nach Südafrika ist der berühmte Krüger-Nationalark. Der Blyden-Canyon spielte da nur die Rolle einer Ouvertüre. An diesem Morgen führt uns unser Weg zuerst nach Hazyview und dort auf die nach Norden führende R40. Es heißt, wir sollten dieser Straße bis Akornhoek folgen und dort rechts abbiegen. Nun hat aber die bereits erwähnte Eigenart des südafrikanischen Verkehrssystems, sowohl auf Ortsschilder als auch auf Entfernungsangaben zu verzichten, die unangenehme Folge, dass man nie wirklich weiß, wo man sich genau befindet, zumal die Siedlungen hier nahtlos ineinander übergehen. Dabei weiß man angesichts der Struktur der Ansiedlungen nie, ob es sich hier um einen regulären – das heißt benamten – Ort oder um eine inoffizielle Siedlung von Einheimischen handelt. Da müssen also wiederum Sekundärinformationen der örtlichen Läden und Tankstellen als Wegweiser dienen.
So erkennen wir schließlich auch die Ortschaft Akornhoek – es ist viel leichter als gedacht – und biegen wie angegeben nach Osten ab. Nun geht es durch mehrere kleine Ortschaften, die allesamt „provisorischen“ Charakter aufweisen, geradewegs Richtung Krüger-Park. Die Straße verläuft nahezu kerzengerade nach Osten, nur die Steigungen und Gefälle bringen Abwechslung und Struktur in die Strecke. Schließlich biegen wir nach rechts Richtung „Sabie Sand“ ab, das einen Teil des Krüger-Parks darstellt. Nun geht es jedoch über eine von Schlaglöchern übersäte Sandpiste, die einen ausgeprägten Slalomstil verlangt und die Durchschnittsgeschwindigkeit fast bis auf Schritttempo verringert. Es geht vorbei an Schulen und verstreuten Höfen, und immer, wenn man denkt, nun nahe endlich das Tor zum Park, folgt wieder eine lange, beschwerliche Schlaglochstrecke.
Als wir schließlich das Tor erreichen und unsere Eintrittsgebühr entrichten, rechnen wir natürlich mit einer kurzen Reststrecke, doch der Wegweiser weist mitleidlos elfeinhalb Kilometer auf Sandpiste bis zum Nkorho Bush Camp aus. Das wäre ja noch nicht so schlimm, wenn wir bei der ersten größeren Kreuzung die Hinweisschilder nicht falsch interpretieren und über sechs Kilometer auf schwer befahrbaren Wegen in die falsche Richtung fahren würden, bis uns eine Schranke brutal stoppt. Also drehen – das ist gar nicht so einfach auf einem schmalen Sandweg – und zurück zur Kreuzung. Von dort aus geht es jetzt noch einmal über sechs Kilometer auf und ab, durch ausgetrocknete Flussbetten und über ausgewaschene Querrinnen zum Nkorho Bush Camp. Zwischendurch stoppt uns eine ausgewachsene Giraffe, die mitten auf dem schmalen Sandweg steht, genüsslich eine grüne Baumkrone entlaubt und erst nach unserer langsamen aber stetigen Annäherung mit arrogantem Gesichtsausdruck gemessenen Schrittes im seitlichen Buschwerk verschwindet. So erreichen wir schließlich gegen Mittag unser heutiges Ziel, das Nkorho Bush Camp.
Uns erwartet ein kleines Paradies. Mitten in der Buschlandschaft stehen einige gepflegte Holzhäuser. Davor, mit dem Blick auf eine Wasserstelle der Wildtiere, breitet sich eine geräumige, überdachte Terrasse mit einem kleinen Schwimmbad aus. Ein separater Essraum, weitgehend offen aber überdacht, und eine Bar ergänzen das Ensemble. Die Gäste sind in Bungalows untergebracht, die an Komfort nichts zu wünschen übrig lassen. Die exponierte Lage der Lodge – schließlich nennt sie sich „Bush Camp“, zeigt sich darin, dass man uns ans Herz legt, nach dem abendlichen Erlöschen der Lichter gegen 22 Uhr nicht mehr den Bungalow zu verlassen – falls man keine wlden Tiere treffen möchte.
Nach einem stärkenden Lunch geht es gleich am ersten Nachmittag auf zum „Game Drive°. So heißt die mehrstündige Rundfahrt mit dem offenen Jeep durch das Reservat mit dem Ziel, Tiere in der Wildnis zu beobachten. Das beginnt mit den Impala-Antilopen, die hier in großen Herden weiden, kaum noch Scheu vor den Geländewagen zeigen und erst bei zu großer Annäherung in schnellen Sätzen davonspringen. Auch Kudus und Gnus lassen sich beim Äsen nicht stören, solange ein gewisser Abstand gewahrt bleibt. Schwer zu finden sind die Elefanten und die Leoparden, von den Löwen ganz zu schweigen. Von einem verschwiegenen Seitenpfad aus, der selbst für einen „Allround“-Jeep nicht immer problemlos zu befahren ist, entdecken unsere Führer schließlich eine Elefantenherde, die sich langsam aber zielstrebig durch das Dickicht arbeitet. Da Junge dabei sind, wird der alte Bulle bei unserer Annäherung schließlich unruhig und stellt seine gesamte Herde mit Front zu uns auf, die Kleinen in der Mitte. Nur noch zwanzig Meter trennen uns vor der uns stoisch anschauenden Herde, und uns wird etwas mulmig zumute, zumal wir mitten in den Büschen stehen und uns nicht schnell absetzen können. Doch unser Fahrer beherrscht die Situation, dreht den Wagen langsam und ohne jegliche abrupte Bewegung, und langsam ziehen wir uns auf den Weg zurück, auf dem wir schnell das Weite suchen. Die Elefanten haben wieder ihre Ruhe.
Die Suche nach einem Leoparden verläuft leider ergebnislos, und so nehmen wir bei Sonnenuntergang unseren „Sundowner“-Drink ein, um dann ins Camp zurückzukehren. Plötzlich erhöht der Fahrer das Tempo in ungewöhnlicher Weise und prescht geradezu zum Camp zurück. Als wir dort eintreffen, erkennen wir die Ironie der Situation: der Leopard, den wir solange vergeblich gesucht haben, hat seine Jagdgründe direkt vor das Camp verlegt, wo er sich an eine Antilope anschleicht. Von den Motorengeräuschen der Jeeps und den Scheinwerfern der „Checker“ lassen sich weder Jäger noch Beute beeindrucken. Doch schließlich entdeckt die Antilope ihren Gegner und faucht ihn aus einer Entfernung an, die für den Leoparden noch zu groß für den finalen Spurt ist. So trollt er sich davon und schleicht sich auf einen Hasen zu. Doch bevor er diesen fassen kann, bellt plötzlich ein Schakal laut und wütend: der Leopard macht ihm sein Abendessen streitig, und der Schakal warnt daher den Hasen, den er doch noch zu fassen glaubt. So trollt sich der Leopard ins Gebüsch und stellt fürs erste seine Jagdbemühungen ein.
Wir kehren ins Camp zurück und genießen ein ausgedehntes Abendessen am Lagerfeuer unter freiem Sternenhimmel. Diese Safari-Atmosphäre löst im Verein mit einem guten Rotwein die Zungen, und ein erlebnisreicher Tag geht seinem Ende entgegen.
Morgen geht es weiter mit Wildbeobachtungen.
Frank Raudszus
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